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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie
Autoren: Bass jefferson
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hier und jetzt ein Ende. Ich lasse mir nichts mehr gefallen, und ich werde auch nicht mehr lügen. Dieser Schlamassel zerstört unser Leben. Er hat Orbin umgebracht, und er wird auch Tom noch umbringen, aber das lasse ich nicht zu. Genug ist verdammt noch mal genug.«
    Art räusperte sich. »Mrs. Kitchings, wenn Sie bitte die Waffe runternehmen, dann können wir in aller Ruhe darüber reden.«
    »Ich will aber nicht in aller Ruhe darüber reden«, sagte sie. »Ich habe viel zu lange geschwiegen. Ich war mein ganzes Leben lang ruhig, und sehen Sie, was aus mir geworden ist.« Sie schaute sich um, als überblickte sie die Trümmer ihres Lebens; dann schüttelte sie mit glühenden Augen den Kopf.
    »Mrs. Kitchings, ich weiß, dass das im Augenblick schlimm aussieht, aber es ist nicht hoffnungslos«, drängte Art. »Mit einem guten Anwalt – Dr. Brockton hier kennt ein paar gute Anwälte – kann Ihr Mann durch ein Schuldbekenntnis eine milde Strafe erreichen. Wenn er sich auf Körperverletzung mit Todesfolge beruft, kann er in zwei oder drei Jahren wieder draußen sein.«
    Sie starrte Art an, als wäre er völlig durchgeknallt. »Eine milde Strafe erreichen? Körperverletzung? Wovon zum Teufel reden Sie da?«
    »Das Mädchen. Ihre Nichte. Sie wurde umgebracht. Erwürgt.«
    »Thomas hat das Mädchen nicht erwürgt.«
    Endlich fand ich meine Stimme wieder. »Mrs. Kitchings, wir haben sehr viel herausgefunden, als wir ihre Leiche untersucht haben. Wie Ihr Sohn schon sagte, war Ihre Nichte schwanger.«
    »Zum Teufel, dass sie schwanger war, wusste ich schon vor dreißig Jahren. Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?«
    »Nein, Madam, ich halte Sie nicht für dumm«, sagte ich. »Ich wollte nur … Ich bin mir nur nicht sicher, ob Sie alle Fakten kennen. Kurz nachdem man die Schwangerschaft allmählich sah, wurde Ihre Nichte erwürgt.«
    »Das weiß ich auch.«
    »Aber Sie haben doch gerade gesagt, Ihr Mann …«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe und was ich nicht gesagt habe. Ich habe nicht gesagt, sie wurde nicht erwürgt. Ich habe gesagt, dass er es nicht war.«
    Ein zutiefst beunruhigender Gedanke kroch aus meinem Hinterkopf. Ich schob ihn beiseite, doch er war prompt wieder da. »Mrs. Kitchings, wie können Sie sich sicher sein, dass er es nicht war?«
    Sie starrte mich wütend an. »Weil ich es war.«
    »Nein!«, schrie der alte Mann.
    »Oh doch«, zischte sie ihm zu. »Ja! Ich habe sie umgebracht.«
    »Aber es war ein Fieber«, sagte er. »Ich bin von einem Jagdausflug zurückgekommen, und da war sie tot. Du hast gesagt, mit dem Baby sei etwas nicht in Ordnung gewesen, und sie hätte Fieber bekommen und wäre gestorben.«
    »Und du hast behauptet, du hättest das Mädchen nicht angefasst, und ich wusste, dass das eine gottverdammte Lüge war. Also habe ich dich auch angelogen, und seither lügen wir uns was vor, wir beide. Und schau, wohin es uns gebracht hat.«
    Art machte einen winzigen Schritt auf sie zu. »Kann ich Sie etwas fragen, Mrs. Kitchings?« Er wartete nicht auf eine Antwort. Sein Tonfall war ein wenig neugierig. »Leena war eine ziemlich große junge Frau. Sie war sicher sehr stark. Wie konnte eine zierliche Frau wie Sie ein strammes Mädchen wie Leena überwältigen?«
    Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich habe Ihnen doch gesagt, ich bin nicht dumm. Sie war krank – sie hatte tatsächlich Fieber –, also habe ich ihr Tee mit Honig und Zitrone gegeben. Ich habe auch ein bisschen Whiskey reingetan. Einen ordentlichen Schuss. Sie bekam einen kleinen Schwips, und da fing sie an zu weinen und hat mir alles erzählt …« Sie schien den Faden zu verlieren oder ihre Entschlossenheit, doch dann schob sie den Unterkiefer vor und riss sich wieder zusammen. »Sie hat mir erzählt, was er ihr angetan hat. Ich wollte es gar nicht wissen – ich hatte etwas in der Art befürchtet, seit sie bei uns eingezogen war. Also hatte ich sie nie nach irgendwas gefragt, aber dann ist sie hingegangen und hat es mir von sich aus erzählt.«
    Ihr Blick war weit in die Ferne oder zurück in die Vergangenheit gerichtet. »Ich habe auch ein bisschen Whiskey getrunken, und dann habe ich ihr noch was gegeben und noch was, und während sie weinte und trank, habe ich geweint und nachgedacht. Darüber nachgedacht, dass mein Mann mich eigentlich nie geliebt hat und dass ich zuerst die Tochter meiner Schwester unter mein eigenes Dach holen musste, bevor ich die Wahrheit erkennen konnte. Und ich dachte: ›Zur Hölle mit
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