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Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Titel: Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
Autoren: Alexandra Marinina
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ein.
    Jedenfalls, Alina spielte die Azucena, und zwar wirklich großartig. Der Film wurde professionell vermarktet, das Video war im Nu verkauft, es mussten sogar zwei Nachauflagen gemacht werden.
    Nach dem »Troubadour« wollte Degtjar den »Rigoletto« verfilmen und dazu die berühmte Aufnahme mit Mario del Monaco und Raina Kabaiwanska benutzen. Er bot Alina natürlich die Rolle der Gilda an, rechnete aber insgeheim damit, dass sie sich auch diesmal widerborstig zeigen und erklären würde, die Gilda interessiere sie nicht, sie wolle lieber die winzige Rolle der Maddalena spielen. Aber auch diesmal reagierte Alina überraschend, von der Maddalena kein Wort.
    »Ich übernehme gern die Gilda«, erklärte sie. »Aber so, wie ich sie auffasse, nicht, wie es allgemein üblich ist.«
    »Wie denn?«, fragte Degtjar misstrauisch.
    »Nun . . . Ich kann das schwer erklären, ich schreibe es lieber auf.«
    Und das tat sie. Die Geschichte des »Troubadour« wiederholte sich bei »Rigoletto«. Das Video war im Nu vergriffen, es gab drei Nachauflagen.
    »Und die Semenzowa?«, lenkte Nastja das Gespräch wieder auf die Frage, die sie am meisten interessierte.
    »Nichts. Sie hat kaum zu tun. Nach der Geschichte mit der Azucena fing sie erneut an zu trinken, dann war sie wieder in Behandlung . . . Vor kurzem hatte sie Probeaufnahmen für eine Nebenrolle, ohne Erfolg. Sie wurde nicht genommen. Seit damals hasst sie Alina natürlich wie die Pest. Na ja, durchaus verständlich.«
    »Leonid Sergejewitsch, finden Sie es nicht sonderbar, dass Alina ihre Interpretationen nicht erklären konnte, sondern sie Ihnen schriftlich gegeben hat?«
    »Was wollen Sie damit sagen? Dass jemand anders die für sie geschrieben hat? Nein, nein, das versichere ich Ihnen. Alina war wirklich, wie sage ich das am besten – eine große Denkerin, aber keine große Rednerin, ja so etwa, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie sprach schlecht. Sie hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, lernte ihre Rollen sehr schnell und beherrschte den Text ohne Stocken, aber ihre eigenen Gedanken auszudrücken, das war für sie immer ein Problem. Als wäre sie plötzlich blockiert, sie stammelte, wiederholte Wörter, konnte keinen Satz richtig zu Ende bringen, ohne das Prädikat zu verlieren. Mündlich konnte sie sich schlecht ausdrücken. Aber schriftlich – ganz großartig. Wissen Sie, das trifft man ziemlich häufig, allerdings meistens umgekehrt. Oft spricht jemand sehr gut, bildhaft und ausdrucksvoll, und sobald er zum Stift greift, ist das alles weg. Trockene, gestelzte Sätze, dass einem schlecht wird. Bei Alina dagegen war es umgekehrt. Sie können sich davon selbst überzeugen, ich habe ihre Aufzeichnungen zu Azucena und zu Gilda noch. Möchten Sie sie lesen?«
    »Natürlich, Leonid Sergejewitsch. Vielen Dank. Kannten Sie Alina gut?«
    »Wie soll ich sagen . . . Ich habe drei Jahre lang mit ihr gearbeitet, bis Andrej Smulow sie entdeckt hat. Das liegt jetzt fast vier Jahre zurück. In diesen vier Jahren habe ich sie oft gesehen, immerhin gehörten wir ja zur selben Firma, aber geredet haben wir kaum miteinander. Doch ich kann Ihnen versichern, an der Seite von Andrej hat sie sich als Schauspielerin sehr entwickelt. Sie hatte großes Talent, aber . . . Das war genauso wie mit dem Reden. Irgendetwas hinderte sie immer daran, sich voll zu entfalten. Ich spürte, sie hat enorme Ressourcen, aber sie waren wie eingesperrt, und wo der Schlüssel dazu, lag, wusste sie nicht. Man hatte den Eindruck, sie geniere sich vor Publikum. Studioaufnahmen liefen immer wunderbar, aber sobald wir Außenaufnahmen machten, war es aus. Da war Alina wie erstarrt. Im Studio waren wir ja unter uns, aber draußen versammelt sich fast immer eine Menge Schaulustiger. Andrej wurde damit fertig, Ruhm sei ihm und Dank. Es war immer ein langer Kampf, aber er hat es geschafft. Und eine solche Schauspielerin ist nun tot! Ihr Stern ging ja gerade erst auf. Andrej tut mir wahnsinnig Leid. Er hat sie nicht nur geliebt – sie war seine Schauspielerin. Ohne Alina wird er nichts Gescheites mehr zustande bringen, und das ausgerechnet jetzt, wo er einen zweiten Atem bekommen hat. . . Schade.«
    Er schob Nastja einen Aschenbecher hin.
    »Rauchen Sie ruhig, genieren Sie sich nicht, ich sehe doch, wie Sie sich quälen, Sie schauen dauernd zum Aschenbecher. Mich stört der Rauch nicht.«
    Nastja nickte dankbar und zündete sich genüsslich eine Zigarette an. Ihr gefiel es hier, in dieser Wohnung, die nur aus
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