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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
Autoren: Alexandra Marinina
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Verteidigungsfähigkeit des Landes, strategische Rohstoffe, die kriminelle Plünderung der nationalen Schätze, die internationale politische Arena, die Interessen Rußlands in der moslemischen Welt. Alle Worte waren verständlich und richtig, aber sie gaben keine Antwort auf die Frage, wie man damit fertig wird, wenn man geliebte Menschen verliert. Wie sollte das Leben für Kostjas Familie weitergehen? Was würde mit Vakars Familie geschehen? Wie würde Eduard Petrowitsch Denissow mit dem Tod seines Sohnes fertigwerden? Und wie sollte sie selbst, Nastja Kamenskaja, ihren Schmerz bewältigen? Jeder Mensch hatte seine eigene Wahrheit. Die Wahrheit der Leute von der Spionageabwehr bestand darin, daß es auf der Welt nichts Wichtigeres gab als die Interessen des Staates. Die Wahrheit von Nastja Kamenskaja bestand darin, daß es nichts Wichtigeres gab als ein Menschenleben, auch wenn es das Leben eines einstigen Kriminellen war oder das eines Generals, der zum Mörder geworden war. Weil der Tod etwas Unumkehrbares war, weil sich hier nichts mehr wiedergutmachen ließ.
    »Sie können gehen, Anastasija Pawlowna, wir brauchen Sie nicht mehr«, sagte Gordejew trocken. »Aber entfernen Sie sich bitte nicht vom Arbeitsplatz, ich muß Sie noch sprechen.«
    Nastja verließ erleichtert das Büro ihres Chefs. Sofort nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, noch auf dem Korridor, streifte sie ihre Schuhe ab und ging barfuß weiter. Durch die Strumpfhose an ihren Füßen spürte sie den kalten Fußboden unter sich, die Feuchtigkeit und den Schmutz, den die vielen Schuhe und Stiefel von der Straße hereintrugen.
    6
    Etwa zwei Stunden später erschien Gordejew in Nastjas Büro. Die Kollegen von der Spionageabwehr waren nicht allzuweit gekommen mit ihm. Er war ihren Fragen so gut wie möglich ausgewichen, hatte verschwommene Antworten und nebelhafte Versprechungen gegeben und ganz nebenbei versucht, so viel Information wie möglich aus ihnen herauszuholen. Nachdem er die Gäste verabschiedet hatte, rief er die Kamenskaja nicht an, sondern kam selbst in ihr Büro.
    »Wie steht’s, Nastja«, fragte er sanft.
    »Schlecht, Viktor Alexejewitsch. Mir passiert so etwas zum ersten Mal.«
    »Macht nichts, Mädchen, halt die Ohren steif. Ich will nicht sagen, daß du dich an solche Dinge gewöhnen mußt, an so etwas sollte man sich nie gewöhnen, aber mit der Zeit wirst du lernen, besser damit fertigzuwerden. Was hört man von Jerochin?«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Jerochin ist flüchtig. Seit heute morgen wissen wir, daß er verschwunden ist. Einer von Denissows Leuten hat ausgesagt, daß es Jerochin war, der sowohl auf Vakar als auch auf ihn selbst geschossen hat. Die Miliz ist sofort zum Tatort gefahren, aber natürlich war er spurlos verschwunden. Doch das hat nichts zu sagen, Viktor Alexejewitsch, er entkommt uns nicht.«
    »Woher weißt du das so genau?«
    »Erstens kann er nicht lange auf den Kontakt zu Resnikow verzichten.«
    »Warum?«
    »Ich weiß selbst nicht, woher ich das weiß«, erwiderte sie gereizt. »Ich weiß es einfach. Wenn es anders wäre, hätte Jerochin sich mit dem Mord an Vakar nicht so beeilt. Wenn Vakar eine Gefahr als potentieller Augenzeuge darstellte, hätte Jerochin ja den Ort meiden können, an dem das geschehen sollte, was nicht für Vakars Augen bestimmt war. Aber Jerochin kann es sich aus irgendeinem Grund nicht leisten, einen bestimmten Ort zu meiden, er muß diesen Ort dringend aufsuchen, und deshalb mußte er Vakar so schnell wie möglich beseitigen, um ihn nicht am Schwanz hinter sich herzuziehen.«
    »Und zweitens?« fragte Knüppelchen.
    »Zweitens verfolgt einer von Denissows Männern Jerochins Spur. Ich hoffe, daß er ihm nicht durch die Lappen geht.«
    »Es ist gut, daß du hoffst«, seufzte Gordejew. »Ich wollte es dir nicht sagen, aber nun werde ich es doch tun. Es ist grausam, ich weiß, zumal du es wahrscheinlich selbst verstehst. Aber ich muß sicher sein, daß du es wirklich verstehst.«
    Er verstummte und spielte mit den Bleistiften und Kulis, die auf dem Schreibtisch lagen.
    »Du hast mir gesagt, daß Denissow in deiner Schuld ist und daß du dich deshalb moralisch berechtigt fühltest, ihn um einen Gefallen zu bitten. Er hat dir diesen Gefallen getan und dabei seinen Sohn verloren. Jetzt bist du seine Schuldnerin geworden, und diese Schuld kannst du nicht abtragen. Niemals und durch nichts. Du mußt dir darüber im klaren sein, daß du, solange Denissow am
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