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Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1
Autoren: H. J. Alpers
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Gedanken formulierte er bereits den ersten Abschnitt seiner Studie zum Antikartellgesetz. Er würde alle psychische Energie bekommen, die er benötigte, dazu noch einen ordentlichen Überschuß, der vielleicht für eine rasche Revision ausreichte. Der Text stand schon deutlich vor seinem geistigen Auge:
    „Der Kläger, die Vereinigten Staaten von Amerika, strebten diesen Prozeß gegen den Angeklagten, Systems Motors, eine New Yorker Gesellschaft, an, um Aktionen des Angeklagten, die auf Einschränkung des freien Wettbewerbs, Verschwörung und Monopolisierung hinausliefen und damit sowohl das Shermansche wie auch das Claytonsche Antikartellgesetz verletzen, zu unterbinden.“
    Ah, großartig, großartig! In den juristischen Fachzeitschriften würde man seinen Artikel lobend erwähnen, da er ‚Ordnung in das Chaos’ bringen würde. Man würde ihn weltweit in allen Kartellsachen zitieren. Er würde in einer Reihe stehen mit dem Fall der sprechenden Bilder, dem Zellophanfall, dem Fall Univis, dem Fall General Electrics.
    Thomas half seiner Klientin durch den Raum vor den Richterstuhl.
    „Nehmen Sie Ihre Maske ab“, befahl Speyer.
    Sie gehorchte. Ihr Gesicht war kreidebleich, aber ihre Augen waren voller Leben. Sie blickte flehend zu Speyer auf.
    „Sind Sie bereit?“ fragte Speyer.
    Thomas hatte diesen Augenblick von Anfang an vorhergesehen. Nun war er auf eine undefinierbare, theoretische Weise darauf vorbereitet. Er hatte alle notwendigen geistigen und körperlichen Vorkehrungen getroffen, sein ganzes Empfinden auf reine Nervenreflexe und automatische Funktionen reduziert. Seine Knie waren weich, aber er konnte stehen. Seine Hände zitterten, aber nicht allzu sehr. Er fragte sich, ob diese Hände das Glas nehmen und es Richter Speyer ins Gesicht schütten würden. Aber er entschied sich dagegen. Zunächst einmal war der Richter viel zu weit entfernt, und außerdem würde es nur zur Folge haben, daß der Gerichtsdiener mit der Spritze kommen würde, und dann bekämen die gierigen Augen des Richters ein noch interessanteres Spektakel zu sehen.
    „Ich bin bereit“, sagte Ellen Welles. Sie nahm der Schwester das Glas aus der Hand, das sie ihr mit einer Hand hingehalten hatte. Die verurteilte Frau sah ihrem Mörder genau in die Augen. „Auf Ihre Gesundheit“, sagte sie, „Sie kranker, sadistischer Bastard.“ Dann trank sie das ganze Wasser, ohne abzusetzen.
    Thomas beobachtete den tödlichen Rhythmus ihrer Kehle beim Schlucken. Sie gab der Krankenschwester das leere Glas zurück.
    Richter Speyer beugte sich über seine Bank; er atmete in kurzen, aufgeregten Stößen. „Unter den gegebenen Umständen will ich Ihnen Ihren Ausfall vergeben.“ Ein dünner Speichelfaden lief sein Kinn herab.
    Ich gebe ihr noch fünf Sekunden, dachte Quentin Thomas.
    Bestenfalls noch zehn Sekunden, dachte Richter Speyer. Zyanid wirkt rasch. Das Gewebe bekommt keinen Sauerstoff mehr. So was wie Zerstörung der oxidativen Enzyme. Konvulsion. Dann Paralyse. Atemnot. Tod.
    Mittlerweile stand fast jede Person unter den Zuschauern. Allerdings war es weder der Verteidigung noch dem Richter klar, ob aus Mitleid oder Neugier.
    Die beiden Mediziner schoben ihre Bahre auf Ellen Welles zu. Sie blieben hinter ihr stehen. Einer sah auf die Uhr. Dann tauschten die beiden verwirrte Blicke aus.
    Ellen Welles beugte sich zu Quentin Thomas und flüsterte ihm etwas zu.
    „Was? Was?“ fragte er.
    „Es funktioniert nicht. Das Gift funktioniert nicht.“
    Was sie sagte, war unmöglich. Vielleicht war es noch zu früh? Aber sie sah ganz normal aus. Nicht die geringsten Anzeichen einer Zyanidvergiftung. Trockene Haut. Keinerlei Atembeschwerden.
    Auch die Krankenschwester war verwirrt. Sie trat einen Schritt näher und fühlte Ellens Puls, dann wechselte sie einen Blick mit dem Richter. „Etwas stimmt nicht, Euer Ehren. Ich glaube, das Gift zeigt keine Wirkung.“
    Speyer runzelte die Stirn. „Wie kann das möglich sein? Wir waren Zeuge, wie es heute morgen frisch zubereitet wurde. Wir haben es getestet. Die Maus starb innerhalb von drei Sekunden. Geben wir ihr noch ein oder zwei Minuten.“
    Die Schwester zuckte die Achseln. „Meinetwegen.“
    Drei Minuten verstrichen. Nichts geschah.
    Thomas begann fast wieder zu hoffen. Er wandte sich um und betrachtete die erste Sitzreihe. Wo …? Ja, da war er … oder es , das hing vom jeweiligen Standpunkt ab. Faust. Schwebend, beobachtend, Faust hatte das getan. Aber wie ?
    Wieder sprach Speyer. „Vergessen
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