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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen
Autoren: Hans Kneifel
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lange nicht einschlafen. Irgendwann, als die Mondsichel längst hinter der Wand der Düsterzone verschwunden war, hörte er das Rascheln hinter dem Dornbusch.
    »Zwei bis drei Tagesreisen hinter den Springenden Quellen liegt die Gigantenstadt. Wir bringen Schwerter und Rüstungen nach Ash’Caron, zu Shaer O’Ghallun«, wisperte Maldra.
    Arruf tat zunächst so, als schliefe er. Dann griff eine schmale Hand mit harten Fingern nach seiner Schulter und rüttelte ihn. Aus dem Eppich rieselten Blütenblätter in Arrufs Gesicht.
    »Ich habe verstanden. Was willst du?«
    »Andere Stämme sind an den Quellen. Wir fliehen zusammen, Arruf.«
    »Zu Fuß? Du mußt tatsächlich wahnsinnig sein. Geh zurück in das Zelt deines Herrn und Gebieters!« zischte Arruf wütend.
    »Ohne mich findest du nie O’Ghallun!«
    »Du bringst uns allen den Tod… wenn Elejid etwas merkt, jagt er uns durch die Springenden Quellen.«
    »Du mußt mich zu den Frauen Fronjas bringen!« verlangte Maldra mit keuchender Stimme. Sie war unsichtbar, aber für Arruf hockte sie wie eine giftige Schlange in seinem Nacken. Es war sinnlos, aufzuspringen und davonzurennen. Binnen weniger Herzschläge würde das gesamte Lager wach sein, und es würde von bewaffneten Nomaden mit Fackeln oder hochgerissenen Ästen wimmeln.
    »Ich tue, was ich kann. Wir sind mehr Gefangene als Gäste. Ohne Pferde sind wir für Elejids Krieger zu langsam.«
    »Ich werde schnelle Pferde für euch stehlen«, versprach Maldra. »Morgen.«
    »Geh jetzt, verdammt!« fauchte Arruf. Uinaho schob seine Hand unter der klammen Decke hervor und griff nach Arrufs Arm. Im selben Moment ertönten rings um sie Tritte, aufgeregtes Keuchen, dann flammte die erste Fackel auf. Augenblicklich stellten sich Arruf und der Ay schlafend.
    Zu spät!
    In Arrufs Rücken sprang eine dunkle Gestalt auf. Von allen Seiten rannten Krieger herbei. Einige von ihnen stocherten mit Fackeln in der roten Glut. Die Fackeln flammten auf und beleuchteten Elejid, der, halb angezogen und ein Krummschwert in der Hand, mit furchterregendem Gesicht auf seine Krieger zukam. Ein zappelndes Etwas wehrte sich im Griff von harten Fäusten. Er öffnete die Augen einen Spalt und sah gerade noch, wie Gesicht und Schultern einer jungen Frau ins Licht der Fackeln gezerrt wurden. Der Schrei des Stammesfürsten weckte das Lager.
    »Maldra!«
    Sie gab keine Antwort. Ihr Gewand war an einigen Stellen zerfetzt. Lange Stoffstreifen hingen an den Dornen des Strauches, und auf dem feuchten Stoff klebten verräterisch die Blütenblätter. Ein Kreis, der durch immer mehr heranstürmende Krieger dichter wurde, bildete sich um die beiden Fremden und Maldra. Mehr Fackeln wurden herangebracht. Ein Nomade sagte mit kehliger Stimme:
    »Ich habe alles gehört. Elejid. Sie wollte für die Fremden Pferde stehlen. Sie will mit ihnen zu Shaer O’Ghallun und zu Fronjas Weibern. Dieser Arruf hat ihr nichts versprochen.«
    »Das war’s wohl«, sagte Arruf und schälte sich aus seinem Mantel. Er stand auf und wartete, bis Uinaho an seiner Seite stand. Die Krieger blickten sie an, als wären sie schon tot und verscharrt.
    »Lügt sie?« dröhnte Elejid und zeigte anklagend auf Maldra. Arruf bemerkte, daß sie überraschend jung und ungewöhnlich schön war. Schulterlanges gewelltes Haar von blauschwarzer Farbe funkelte in der feuchten Nachtluft. Ihre Augen waren groß und voller tiefem Schrecken.
    »Sie hat, jeder kann’s bezeugen, kein einziges Wort gesagt«, antwortete Arruf. »Und wenn sie tatsächlich fliehen wollte, muß es einen Grund geben. Sklaven, beispielsweise, haben nichts anderes im Sinn, als ihrem Peiniger zu entfliehen.«
    »Entwaffnet sie!« befahl Elejid. »Morgen werden die Springenden Quellen entscheiden, ob ich meine Frauen schlecht behandle.«
    »Kein Kampf, Uinaho!« rief Arruf. »Das wäre Selbstmord.«
    »Dein Freund ist klug«, knurrte ein Nomade. »Das hat ihm das Leben gerettet.«
    Sie händigten ihre Dolche und Schwerter den Nomaden aus. Mit einer herrischen Handbewegung scheuchte Elejid die Bewacher Maldras und die junge Frau in die Richtung seines Zeltes. Schweigend, aber nicht herausfordernd, betrachtet Elejid die Fremden. Schließlich raffte er seinen Mantel am Hals zusammen und sagte nachdenklich:
    »Wir können die ganze Nacht über Schuld oder Unschuld reden, ohne daß wir zu einem Ende kommen. Der Wahrspruch Illanens wird entscheiden. Bewacht sie gut, und wenn sie fliehen wollen, fesselt sie.«
    Er machte eine einladende
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