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An den Rändern der Zeit (German Edition)

An den Rändern der Zeit (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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ungehemmt in ihr aus; entfesselt, da sie so lang unter eine so granitene Kontrollgewalt gezwungen worden war.
    Fa Pa zeigte sich weniger entsetzt als jener Amtmann. Dazu war er zu sehr Chinese, wenn auch kein echter, streng genommen, sondern ein Umgewandelter. Um die Jahrhundertwende war das groß in Mode gekommen.
    Er zog die elfenbeinfarbene Lösung auf eine Mehrwegspritze, die innen goldbeschichtet war, und sprühte den Inhalt dann in ein kleines Jadeschälchen. B.C. vergrub gierig ihr Gesicht in dem aufsteigenden Duft, tunkte ihren Ringfinger hinein … führte ihn unter ihre Nase, atmete tief – alsdann ließ sie noch mehr Luna in ihre Handfläche tropfen und leckte es mit der Zungenspitze auf … ganz zum Schluss nahm sie mit bereits leicht verschwommenen Bewegungen etwas von der zähen Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger und träufelte es sich ins Ohr. In den Venen ihrer Arme pochte das Blut, fern, leise, fast zärtlich. Schon ebbten die empathischen Gewalten etwas ab.
    Sie war die einzige von Fa Pas Kunden, die den Luna-Extrakt auf diese Weise zu sich nahm. Alle anderen snieften ihn nur oder ließen ihn sich gleich einspritzen. Dieses Mal ging sie allerdings reichlich hastig dabei vor, beobachtete er. Etwas Schlimme war ihr passiert. Nun! Es war nicht verwunderlich. Immer noch gleichmütig ruhten Fa Pas Mandelaugen auf ihr. Er schätzte sie wirklich sehr als Kundin, aber darüber hinaus wollte er nichts mit ihr zu tun haben.
     
    Ahhh … nichts löschte so zuverlässig Zeit und Raum aus wie dies. Klug war es wohl nicht gerade, sich ausgerechnet jetzt diesen kleinen Urlaub von der Realität zu genehmigen … Der Mann vom Amt war allein gewesen, aber hundertprozentig Comp-überwacht. Was sonst. wie groß waren die Chancen, ihre Spur zu verfolgen?
    Wenn ich an Händen und Füßen gefesselt erwache, werde ich es wissen.
     
    Doch all das dachte sie erst, als sie in die Jetztzeit zurückkehrte, nachdem goldene Nadeln ihr Blut zu diesem wunderbar sanften Klopfen gebracht hatten, ohne die Qual der Erinnerung oder die Pein der Vorausahnung … mondhaft entrückt und substanzlos, und die Empathie versickerte im Sand der Wüste, die sich selbst vergisst … der desert of words … erst als sie zurückkehrte also, aber es war ein direktes Anknüpfen.
    Wie eine zustoßende Schlange packte sie Fa Pa, der gerade die Riemen löste, am Ellbogen. Sie nuschelte kaum verständlichen Slang. Die übrige Sprache musste erst zu ihr zurückschwimmen. „Smbody nach mir kweschtnd?“ Ihre Wangen glühten, das Fieber war stark, doch sie klagte nie über diese Nachwirkung der Lunadroge.
    „Jemand vom Amt, meinst du?“, sagte Fa Pa ausdruckslos. „Hat sich tutto schon talked around. Wär mir nicht recht, wenn durch dich das Amt chez moi. Ist aber nicht. Besser du bleibst weg for a while. ´s Amt kann nur Infos colleckten über dich in der T-Zone. Ist forbidden zone für dich now. Wenn du mich fragst.“
    „Info-collection. Ja, es ist nur der erste Grad. Ja. Ich habe noch eine Chance.“ B.C. sprach mehr mit sich selbst, und dann dachte sie wieder an die schwarze Lücke in ihrer Erinnerung und fragte Fa Pa, der alles zu wissen schien: „Ist der Jemand vom Amt noch live?“
    „Clear. Null problemo with him.“ Fa Pa strich sich über den dünnen Spitzbart. So gesprächig kannte er sie nicht. Er brannte darauf, sie loszuwerden. Ice of hell umgab sie, stärker denn je.

Abschnitt 5
     
    Erst wenn die Hölle gefriert, wird das wieder passieren, hatte Varian grimmig behauptet.
    Ein einziges Mal war ein Amtsvollzieher in der Garage gewesen. Casimiria erinnerte sich noch sehr gut an ihren namenlosen Schrecken … aber er war nicht ihretwegen gekommen, sondern weil Varian vergessen hatte, die Stromrechnung zu bezahlen. Die Sache ließ sich gerade noch regeln – und doch fragte sich Casimiria seitdem ab und zu, ob nicht irgendjemand ahnte, was (und wer!) sich unter der Garage befand.
    Paranoia. Mich haben sie längst vergessen. Ich bin unwichtig. Bedeutungslos.
    Sie aktivierte den Sender, der sich in der rechten Armlehne befand, und geräuschlos öffnete sich der Eingang mit seiner behindertengerechten Rampe. Fast ebenso leise surrte ihr Rollstuhl hinunter, und sie befand sich in ihrem eigentlichen Heim, während sich der Geheimgang wieder schloss.
    Enzianwasser? Nein, ich brühe mir lieber einen Tee auf. Es waren drei große, freundlich-helle Räume und ein Bad, sämtlich zu Casimirias Bequemlichkeit eingerichtet. Alles war
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