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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses
Autoren: Elizabeth Peters
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packte ihn am Handgelenk. Die Bewegung war scheinbar reflexartig, der Griff ohne sichtbare Gewalteinwirkung, und doch schrie der junge Mann auf und ging in die Knie.
    »Gütiger Himmel, Ramses«, entfuhr es mir. »Laß ihn sofort los.«
    »Selbstverständlich«, sagte Ramses. Er lockerte seinen Griff, mußte jedoch irgend etwas anderes angestellt haben, was ich nicht mitbekam, denn der unglückliche Jüngling plumpste zu Boden.
    Gedemütigt zu werden ist für Jugendliche eine wirkungsvollere Waffe als körperlicher Schmerz. Der junge Mann stand auf und verschwand. Vorher jedoch warf er Ramses noch einen wütenden Blick zu.
    Natürlich hielt er Ramses für den Verantwortlichen. Im Gegensatz zu mir war er als Mann einfach zu begriffsstutzig, um zu erkennen, daß das Mädchen den Zwischenfall provoziert hatte. Ihre kleinen Hände ruhten jetzt auf Ramses’ Arm, ihren Kopf hatte sie nach hinten gebeugt, so daß sie ihn bewundernd anhimmeln konnte. Eine hellblonde, beinahe weißsilbrige Lockenpracht umrahmte ihr Gesicht, und sie war nach der neuesten Mode gekleidet. Ich schätzte sie auf höchstens zwanzig, vermutlich sogar jünger. Die jungen Damen aus Amerika – denn ihr Akzent hatte ihre Nationalität preisgegeben – sind sehr viel durchtriebener und raffinierter als ihre englischen Pendants. Daß diese junge Dame einen reichen Vater hatte, bezweifelte ich nicht. Sie strotzte wirklich vor Diamanten – vollkommen unpassend für diese Tageszeit und für ihr jugendliches Alter.
    Ich sagte: »Darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen, Miss Bellingham. Ramses, falls sich Miss Bellingham nach ihrem schrecklichen Zwischenfall unwohl fühlt, schlage ich vor, daß du ihr einen Stuhl anbietest.«
    »Danke, Madam, aber es geht mir ausgezeichnet.« Sie lächelte mich an. Sie hatte ein hübsches sommersprossiges Gesicht, das außer einem Paar riesiger, schmachtender brauner Augen, die einen verwirrenden Kontrast zu ihrem silberblonden Haar bildete, keine besonderen Charakteristika aufwies. »Ich kenne Sie natürlich, Mrs. Emerson. Sie und Ihr Mann sind das Stadtgespräch von Kairo. Aber woher kennen Sie den Namen einer so unbedeutenden kleinen Person wie mir?«
    »Wir haben Ihren Vater letzte Woche getroffen«, erwiderte ich. Emerson räusperte sich, entgegnete aber nichts. »Er erwähnte seine Tochter und nannte sie ›Dolly‹. Ein Kosename, nehme ich an?«
    »Genau wie ›Ramses‹«, meinte die unbedeutende kleine Person und reichte ihm eine behandschuhte Hand. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mr. Emerson. Ich hatte natürlich auch von Ihnen gehört, aber ich hatte keine Ahnung, daß Sie so … Vielen Dank. Das war wirklich sehr zuvorkommend von Ihnen.«
    »Wollen Sie sich nicht zu uns gesellen?« fragte ich, den Gesetzen der Höflichkeit folgend. »Gestatten Sie mir, Sie mit Miss Forth und Mr. Todros bekanntzumachen.«
    Ihr Blick musterte David, als wäre er Luft, und blieb dann kurz an Nefrets eisigem Gesichtsausdruck hängen.
    »Angenehm, Sie kennenzulernen. Leider kann ich nicht bleiben. Dahinten ist Daddy – wie immer zu spät, dieser schreckliche Mann! Er wäre mir böse, wenn ich ihn warten ließe.«
    Nach einem letzten verzehrenden Augenaufschlag in Ramses’ Richtung trippelte sie davon.
    Der Mann, der sie in der Nähe des Treppenaufgangs erwartete, trug einen altmodischen Gehrock und eine schneeweiße Halsbinde. Da sein militärischer Titel, wie mir gesagt worden war, auf seinen Dienst in der Südstaatenarmee während des amerikanischen Bürgerkrieges zurückzuführen war, mußte er mindestens sechzig sein, wirkte allerdings jünger. Er hatte die aufrechte Haltung und die schlanken Gliedmaßen eines Kavalleristen, und sein weißes Haar, das er länger trug, als es der Mode entsprach, schimmerte wie ein silberner Helm. Sein gepflegter Backenbart und auch der Schnurrbart erinnerten mich an Photographien, wie ich sie von General Lee gesehen hatte, und ich nahm an, daß er die Ähnlichkeit absichtlich kultivierte.
    Allerdings war das Wohlwollen, das einem beim Anblick jenes Helden der Konföderierten förmlich ins Auge sprang, auf dem Gesicht des Colonels nicht ersichtlich. Er mußte unser Zusammentreffen zumindest teilweise beobachtet haben. Nachdem er uns einen vielsagenden Blick zugeworfen hatte, hakte er das Mädchen unter und setzte sich in Bewegung.
    »Interessant«, sagte Ramses und setzte sich wieder. »Nach deiner Reaktion auf die Erwähnung seines Namens schließe ich, daß deine letzte Begegnung
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