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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx
Autoren: Elizabeth Peters
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prickelnde Wärme, falls es etwas Derartiges gibt. Die außergewöhnliche Aura dieses Mannes war nicht nur auf seine Geisteskraft beschränkt. Sein Körper war der eines Athleten, und seine Stimme – dieses bemerkenswerte, anpassungsfähige und klangvolle Organ – konnte sich so plötzlich und völlig verändern wie sein gesamtes Erscheinungsbild.
    Daraufhin verließ er mich, und ich befolgte umgehend seine Anweisungen. Glauben Sie nicht, werter Leser, daß ich klein beigegeben hätte, wenn ich nicht ein tiefgründigeres Motiv verfolgt hätte. Der Schurke ahnte ja gar nicht, welchen Trumpf er mir zugespielt hatte! Es war eine Schande, daß ich mit einer solch waghalsigen Strategie nur langsam zum Ziel kam, aber dadurch, daß er mir befohlen hatte, mich umzukleiden, hatte er mir einen Vorwand geliefert, mich gewisser Kleidungsstücke in einer Art und Weise zu entledigen, mit der er sicherlich nicht rechnete. Er hatte gesagt, daß er erst zurückkäme, wenn ich mich bemerkbar machte. Da ich jedoch nicht wußte, ob er sein Wort hielt, mußte ich schnell handeln.
    Nachdem ich meine Hose ausgezogen hatte, nahm ich die wollene Leibbinde ab, die ich in Ägypten immer trage, und riß einen Streifen davon ab. Wie oft hatte sich mein geliebter Emerson schon über dieses Kleidungsstück lustig gemacht! Es war ein unverzichtbarer Schutz gegen Erkältungskrankheiten, was sich anhand der Tatsache beweisen ließ, daß ich nie unter derartigen Symptomen gelitten hatte. (In der Tat hatte Emerson auch nie eine Erkältung, obwohl er das Tragen einer Leibbinde hartnäckig ablehnte. Allerdings ist Emerson auch ein Fall für sich.) Die Leibbinde hatte sich bereits bei mehreren Gelegenheiten als sinnvoll erwiesen; jetzt war sie vielleicht meine Rettung. Glücklicherweise hatte ich mir vor unserer Abreise in England eine neue Kollektion zugelegt, und das leuchtende Rosa war aufgrund häufiger Wäschen noch nicht verblaßt.
    Mit einem gewissen Widerwillen nahm ich die Kette von meinem Hals, an der mein Skarabäus aus Lapislazuli mit der Kartusche von Thutmosis dem Dritten hing. Das war Emersons Hochzeitsgeschenk gewesen. Mich in dieser Situation davon zu trennen, da es meine einzige Erinnerung an ihn bedeutete, fiel mir mehr als schwer. Doch meine Hände blieben fest, als ich die Kette ans Ende des Flanellstreifens knotete. Wie passend wäre es doch, wenn mich dieses Geschenk ehelicher Zuneigung vor einem Schicksal bewahren könnte, das (möglicherweise) schlimmer ist als der Tod.
    Ich kehrte mit meinem Stoffstreifen zum Fenster zurück und fingerte an einer meiner Haarnadeln. Obwohl sie gut und gerne acht Zentimeter lang sind, eignen sich diese Accessoires aufgrund ihrer Biegsamkeit nicht als Waffe. Allerdings war besagte Eigenschaft genau das, worauf ich im Augenblick zählte. Nachdem ich mich für die größte Öffnung in dem Fensterladen entschieden hatte, drückte ich den Stoffstreifen mitsamt seinem Skarabäusanhängsel so weit durch das Loch, wie ich mit meinem Finger greifen konnte. Dann trat die Haarnadel auf den Plan. Es folgte ein spannender Augenblick, als der Stoff in der Öffnung steckenblieb und sich nicht mehr bewegen ließ. Nachdem ich daran herumgebohrt und gestochert hatte, spürte ich schließlich, wie er nachgab, und es erfüllte mich mit Triumph, als sich der Rest des Streifens durch das Loch bugsieren ließ. Um zu verhindern, daß das Band hinunterfiel, verknotete ich schließlich das Ende.
    Ich war mir sicher, daß die Fensterläden ein Fenster verbargen, das ins Freie hinausging. Von diesem Fensterladen baumelte nun ein leuchtend rosafarbener Streifen aus Wollstoff mit einem Lapislazuli-Skarabäus am Ende. Sofern das Fenster, wie ich das inständig hoffte, zur Straßenseite gelegen war, würde mein Hinweis mit Sicherheit früher oder später bemerkt.
    Ich riß den Rest der Leibbinde in Streifen und verknotete die Enden miteinander. Nicht einmal Sethos wäre aufgefallen, daß ein Stück Stoff fehlte, und so konnte er sich amüsiert der Spekulation hingeben, was ich mit dem Stoffseil beabsichtigt hatte.
    Nachdem ich mich meiner Garderobe – bis auf ein durchgehendes, knielanges, mit Spitze und kleinen rosa Schleifen verziertes Baumwollunterkleid – entledigt hatte, griff ich mit spitzen Fingern nach den hauchdünnen, von Sethos ausgesuchten Teilen. Sie waren nicht ganz so anstößig, wie ich vermutet hatte. Die Weste war zwar tief ausgeschnitten und ärmellos, aber nicht durchsichtig, da der Stoff mit kostbaren
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