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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes
Autoren: John Saul
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Tage hierbleiben zu dürfen.
Aber ich will nicht hierbleiben, ich will zurück nach Seattle –
und zwar morgen früh.«
»Zu Befehl, Madam«, sagte Brad, knallte die Hacken
zusammen und salutierte. Er grinste sie an und fragte sich,
warum sie das alles so ernst nahm. Es würde nicht leicht sein,
sie zum Hierbleiben zu überreden. Er entschied sich, sein Ziel
auf Umwegen zu erreichen.
»Ich habe eben über Robby Palmer nachgedacht«, erklärte er
beiläufig, während er sich die Schuhe auszog.
Elaine ging sofort darauf ein. »Dein Buch«, meinte sie, »du
meinst, du willst ein Buch über ihn schreiben?«
»Ich weiß nicht«, zierte sich Brad, »ich würde gern
rausfinden, was wirklich mit ihm passiert ist. Eine so starke
Störung löst sich nicht plötzlich in Nichts auf, wie Glen
behauptet hat. Das gibt es nicht.«
»Aber wenn es doch so war?« fragte Elaine.
»Dann muß man die näheren Umstände erforschen. Mein
Gott, wenn es hier draußen irgend etwas gibt, das Kinder wie
Robby auf diese Weise beeinflußt und heilt, dann sollte die
Welt es erfahren.«
»Wie würdest du das Buch nennen
– ›Das gefundene
Paradies‹?«
»Ein Buch über Robby Palmer besäße auf jeden Fall mehr
Erfolgschancen als eins über Biorhythmus«, verteidigte sich
Brad.
»Warum schreibst du nicht über beides?« forderte Elaine ihn
erneut heraus, »und sicherst dir auf diese Weise zwei
Interessengruppen?« Sie lächelte über ihren Scherz, wurde aber
sofort wieder ernst, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. »Habe
ich etwas Falsches gesagt?« fragte sie vorsichtig.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Brad. Er stieß die Schuhe von
sich und warf ihnen die Socken nach, dann legte er sich auf
dem Bett zurück und öffnete einladend die Arme. Elaine ging
zum Bett und schmiegte sich an ihn. Er umfaßte sie mit beiden
Armen, eine Hand streichelte sanft ihren Nacken. Der Regen
trommelte jetzt unablässig gegen die Scheiben, und er wußte,
er würde gewinnen: sie würden morgen früh nicht nach Hause
fahren.
»Wäre es wirklich so schlimm für dich, wenn wir hierbleiben
würden?« fragte er zärtlich.
Elaine drückte sich noch enger an ihn; er spürte ihren
warmen Atem an seinem Hals.
»Ich glaube, es war vor allem dieser Tote«, versuchte sie ihre
Gefühle zu erklären. »Ich sage mir dauernd, daß so etwas
überall geschehen könnte – ich meine, Fischer ertrinken doch
häufiger, nicht wahr? Aber ich sehe dauernd dieses Gesicht vor
mir, so blau und aufgedunsen, und ich fürchte, ich werde es
immer mit Clark’s Harbor verbinden.« Sie schwieg und fühlte,
wie Brad sich bewegte. »Du willst hierbleiben, stimmt’s?«
»Nun – es ist der schönste Ort, den wir bis jetzt gefunden
haben, und er bietet alles, was ich für meine Arbeit brauche. Er
liegt abseits, ist nicht zu groß, und es ist recht
unwahrscheinlich, daß mich hier der gesellschaftliche Trubel
vom Schreiben abhalten könnte.«
»Gesellschaftlicher Trubel«, lächelte Elaine, »ich wette, der
besteht hier aus einem monatlichen Gemeindeabend in der
Kirche. Aber ich weiß nicht, Brad, ich versuche dauernd,
diesen Mann zu vergessen, aber selbst wenn es mir gelingen
sollte, ist da noch etwas anderes, etwas, das mit dem Ort selbst
zu tun hat. Irgend etwas hier ist nicht in Ordnung. Das hängt
irgendwie damit zusammen, wie Glen Palmer heute nachmittag
in diesem Cafe behandelt wurde.«
»Das haben wir doch schon besprochen«, wehrte Brad ab.
»Ich weiß, und ich gebe dir auch recht. Es wird überall
ähnliche Dinge geben. Trotzdem habe ich so ein seltsames
Gefühl; vielleicht ist es auch nur dieser Sturm.« Wie aufs
Stichwort tauchte in diesem Augenblick ein Blitz das Zimmer
in grelles Weiß, und das Trommeln des Regens ging kurz im
explodierenden Donner unter. Elaine, die sonst wildes Wetter
liebte, zuckte zusammen.
»Vielleicht ist es auch nur eine weibliche Intuition«, lächelte
Brad, um sie auf andere Gedanken zu bringen.
»Wenn du es so nennen willst.« Sie ging nicht auf seinen
heiteren Ton ein.
»Mir gefällt es hier«, verkündete Brad entschlossen. »Ich
finde diesen Ort faszinierend, die Leute machen mich
neugierig, auch unter beruflichen Gesichtspunkten. Irgendwie
wirken sie auf besondere Weise distanziert, wenn du verstehst,
was ich meine. Sie scheinen sich überhaupt nicht umeinander
zu kümmern, obwohl sie zusammen hier leben. Ein
interessantes Phänomen, fast ein Widerspruch in sich. Eine eng
verwobene Gemeinschaft, in der die Inzucht wahrscheinlich
Triumphe feiert –
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