Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Michael Sears
Vom Netzwerk:
aufzählen kann, die einander in seinem Häuserblock abgelöst haben.
    Das Papaya King war noch da, aber an der gegenüberliegenden Ecke, wo vorher der Obstmarkt gewesen war, klaffte jetzt eine Baugrube. Ich schaute die Amsterdam Avenue hinauf. Der verrückte kleine Laden, in dem sie Perpetuummobiles, Karten des Universums und ähnliche Dinge angeboten hatten, war verschwunden, aber das P&G’s , die in der Gegend beliebte Bar zum Abstürzen, hatte irgendwie überlebt. Über den Park ragte das Gebäude der Apple Bank auf, das mehr nach Gefängnis aussah als sämtliche Institutionen, in denen ich mich aufgehalten hatte. Und gleich dahinter stand – wie eine durch Hormongaben aufgepumpte österreichische Hochzeitstorte – das Ansonia . Mein Zuhause.
    Ich habe die Wohnung 1999 gekauft, im Jahr der Einführung des Euro als Buchgeld. Meine Gruppe hatte bei der Umstellung über 200 Millionen US-Dollar gemacht, und ich trug meinen ersten Zehn-Millionen-Dollar-Bonus nach Hause. Daran habe ich mich schnell gewöhnt. Ich habe an dieser Wohnung alles geliebt: die Gegend, die Geschichte des Gebäudes, die Architektur, dass es in dem Haus lauter abgeschlossene Eigentumswohnungen gab, es aber trotzdem geführt wurde wie ein Hotel für Langzeitgäste, den Weg ins Büro (vom Bahnhof gegenüber mit dem Schnellzug zwölf Minuten) und die Steuervorteile. Angie konnte sie nicht ausstehen. Ein paar Jahre, nachdem ich dort eingezogen war, haben wir einander kennengelernt.
    »Aber warum? Ich komm mit der Upper West Side nicht klar. Sind hier nicht alle schwul?«
    »Eigentlich nicht.« Jedenfalls nicht mehr als im Village oder in Gramercy Park oder dem überwiegenden Rest von Manhattan südlich der 96. Straße.
    »Aber hier oben ist überhaupt nichts los. Was kann man hier schon machen?«
    »Es gibt das Beacon Theater «, wo ich jedes Jahr im März hinging, um die Allman Brothers zu sehen. Und Ratdog. Und Phil Lesh & Friends. Und die Dylan-Patti-Smith-Show.
    Angie zog eine Braue hoch, auf eine Weise, wie ich es auch gern gekonnt hätte.
    »Na ja«, versuchte ich es anders, »und dann das Lincoln Center.« Da ging ich nicht oft hin, aber ich hatte festgestellt, dass es immer Eindruck machte.
    »Ach, hör auf.« Angie dehnte diese drei Worte endlos aus. »Man kann hier nirgendwo essen.«
    »Vor einem Monat waren wir doch erst im Café Luxembourg . Da wolltest du hin.«
    »Das ist Jahre her! Ich erinnere mich nur deshalb daran, weil Brooke Shields am Nachbartisch saß und ich fand, sie sah dafür, dass sie schon so alt ist, ziemlich jung aus.«
    »Das lag daran, dass das Liv Taylor war – die ungefähr in deinem Alter ist. Und vor Jahren haben wir noch gar nichts zusammen gemacht.«
    »Ach wirklich? Du warst so knickrig an dem Abend. Du hast mich keinen Schampus bestellen lassen.«
    »Ich wollte nicht, dass du Champagner bestellst, weil du schon von den Martinis in der Monkey Bar fast vom Stuhl gefallen bist.«
    Unsere Wohnung downtown hat Angie ausgesucht. Ich war viel zu vernarrt in sie, um aufzupassen. Ich hätte ihr einen ganzen Planeten gekauft, nur, um ihr Lachen zu hören.
    Die Wohnung uptown habe ich nie verkauft. Nach unserem Umzug habe ich sie vermietet. Als die Mieter ein paar Jahre später auszogen, hatte ich andere Sorgen. Seitdem stand sie leer.
    Nr. 811 war ein Ein-Zimmer-Apartment (mit kleinem Schlafalkoven) im südöstlichen Turm des Gebäudes. Unglaublich hell. Und die einzige Wohnung auf dem Stockwerk, deren Nummer eine Primzahl war. Manche Wertpapierhändler glauben an Glück, manche an den Wert, manche schreiben bestimmten Zahlenreihen eine magische Bedeutung zu. Wenn ein Händler Geld brachte, war es mir egal, ob er davor bei Santería- oder Voodoo-Zusammenkünften inHühnereingeweiden gelesen hatte. Ich war nicht abergläubisch. Ich sah in Zahlen Muster, ob ich wollte oder nicht. Es war nicht so, dass ich das gemacht hätte – ich konnte nicht anders.
    Das Schloss ließ sich zu leicht öffnen. Da musste kurz zuvor schon mal jemand aufgeschlossen haben. Mein Vater vielleicht, zum Lüften. War von Queens reingekommen und hatte sich darum gekümmert, ohne es auch nur zu erwähnen oder gar Dank zu erwarten.
    Die Wohnung war kleiner, als ich sie in Erinnerung hatte, und immer noch prachtvoll. Ich war an einen Zweieinhalb-mal-vier-Meter-Raum mit einem Gitter anstelle der vierten Wand gewöhnt, in dem außer meiner Zahnbürste nichts mir gehörte. Hier konnte ich gut fünf Schritte in jede Richtung machen, ohne gegen eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher