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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Michael Sears
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Wand zu laufen, und das alles war mein Eigentum.
    Die drei großen Wohnzimmerfenster gingen zum Broadway hinaus. New York – zumindest mein Scheibchen davon – lag vor mir. Nicht in einem Abstand, bei dem die Menschen auf der Straße auf Ameisengröße schrumpfen, sondern unmittelbar, so als könnte ich mich jederzeit unter sie mischen, einer von ihnen sein und meinen Geschäften nachgehen, ohne Knastvergangenheit. Als hätte ich meine Viertelstunde Verruf nie gehabt.
    Ich drehte mich um und inspizierte den Raum.
    Die Möbel gehörten allesamt mir, erschienen mir aber irgendwie unpassend. Es fühlte sich an, als stünde ich im Schaubild eines Zimmers, das ich einmal bewohnt hatte.
    Alles war mit Staub bedeckt. Ich musste putzen lassen. Dann wurde mir bewusst, dass ich es mir nicht mehr leisten konnte, so zu denken. Ich würde einen Staubsauger kaufen müssen. Einen Besen. Einen Mopp. Ich hatte keine Ahnung, wo man solche Sachen bekam, aber das ist eines der Dinge,die mir an New York so gefallen. Du findest zu jeder Tageszeit alles, was du nur suchen könntest. Und du kannst es dir liefern lassen.
    Der Durchgang zum Schlafraum war von drei großen Kartons versperrt. Als ich den ersten aufklappte, stieg mir ein Hauch Bolt of Lightning in die Nase. Angie. In dem Karton lagen Wäsche, Bettdecken und Kissen, alle noch in Bloomingdale-Tüten verpackt. Die Bettwäsche war von Ralph Lauren – 600er Fadendichte und in allen denkbaren Schattierungen von Lavendelblau. Angie konnte nichts verschenken, was sie sich nicht am liebsten auch selbst gekauft hätte. Ich hätte darauf gewettet, dass sie für sich auch solche Bettwäsche besorgt hatte.
    In dem zweiten Karton lagen jede Menge Klamotten – Anzüge, Hemden, Socken und so weiter –, allesamt maßgeschneidert für einen anderen Mann. Einen zwei Jahre jüngeren Mann. Einen Mann mit den gekrümmten Schultern und dem Bauchansatz eines an den Schreibtisch gefesselten Wall-Street-Managers. Ich bezweifelte, dass ich in diesen Schnitt jemals wieder passen würde.
    Der Inhalt des dritten Kartons ging mir nahe. Meine Musik. Hunderte CDs – Jazz, Rock, Funk, Fusion und ein paar gängige Brocken Klassik, alles vermengt zu einer Plastiksuppe. Es würde Stunden – Tage – dauern, bis ich das alles durchgesehen und meine Sammlung neu sortiert hatte, aber die Tatsache, dass Angie überhaupt daran gedacht hatte, sie für mich aufzuheben, genügte für einen kleinen Hoffnungsschimmer.
    Vier Tage nach der Party im Metropolitan Museum rief sie an.
    »Hallo, du. Hast du gerade zu tun?«
    Ich steckte mitten in einem Handelstag.
    »Überhaupt nicht«, antwortete ich. Kein Gedanke mehr daran, dass der Euro um zwei Cent gefallen war. »Wo bist du? Ich dachte, du arbeitest diese Woche?«
    Sie war am Sonntag auf die Virgin Islands geflogen.
    »Wir sind fertig. Heute Morgen war das letzte Shooting mit Paolo. Jetzt fliegen alle nach Hause.«
    »Das ist doch toll. Kann ich dich vom Flughafen abholen?«
    »Na ja«, sagte sie, und ein unüberhörbares Lächeln schwang mit. »Ich habe hier dieses riesige Zimmer mit eigenem Pool, an dem ich den ganzen Tag liegen kann; da trage ich meine Sonnenbrille und sonst gar nichts.«
    »Verstehe.« Herbe Enttäuschung mischte sich mit knalligen Bildern davon, wie sie sich, während wir telefonierten, in der Sonne aalte. In dem Moment hätte ich ein britisches Pfund nicht von einem thailändischen Baht unterscheiden können.
    »Und das ist alles bis Freitag bezahlt. Da dachte ich, es wäre eine Schande, einfach abzuhauen!«
    Das Magazin hatte für das Shooting für fünf Tage das Necker Island Resort von Richard Branson gebucht. Die alljährliche Bademodenstrecke.
    »Alle anderen fahren?«
    »So gut wie. Ich werde mutterseelenallein sein auf dieser Insel. Keiner da, der mir den Rücken eincremt. Und es gibt eine Stelle, an die komm ich einfach nicht ran.«
    Drei Stunden später saß ich im Flieger.
    All der Staub und die Erinnerungen wurden mir zu viel. Ich bekam kaum noch Luft. Ich musste raus. Also ging ich los, ein Bier trinken.
    Ich bin über einer Bar aufgewachsen. Meinem Vater gehörte eine – wie er selbst liebevoll sagte – Kaschemme inCollege Point, Queens. Es war einer jener Läden, die eine Goldgrube oder ein Klotz am Bein sein können, je nachdem, wie viel Zeit und Kraft der Chef darauf verwendet, selbst nach dem Rechten zu sehen. Wir hatten im dritten Stock eine schlauchförmige Sechsraumwohnung mit lauter Durchgangszimmern, und der Arbeitsweg
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