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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat
Autoren: Elizabeth George
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massiert werden wollten. Die Kosten für die Anfahrt würde sie natürlich berechnen. Nach und nach würde sie genügend Geld sparen, um ihren eigenen kleinen Massagesalon zu eröffnen.
    Massage- und Sonnenstudio. Sonnenbänke und Massageliegen. Das war es, was ihr vorschwebte, und damit bewies sie ein gewisses Einfühlungsvermögen in die Psyche ihrer bleichgesichtigen Mitbürger. Da in diesen Breitengraden das Wetter häufig verhinderte, dass man sich schöner und vor allem natürlich gebräunter Haut erfreuen konnte, hatten mindestens drei Generationen weißer Engländer sich an den seltenen Tagen, dadie Sonne schien, regelmäßig Verbrennungen ersten oder gar zweiten Grades eingehandelt. Genera hatte die Absicht, die Neigung dieser Menschen, sich ultravioletten Strahlen auszusetzen, gewinnbringend zu nutzen. Mit der Sonnenbräune, die sie ersehnten, würde Genera sie anlocken, um sie dann später mit den Segnungen einer therapeutischen Massage bekannt zu machen. Denjenigen Kunden wiederum, die sie schon bei sich oder bei ihnen zu Hause massiert hatte, würde sie die zweifelhaften Vorzüge von Sonnenbänken anpreisen - der perfekte Plan zum sicheren Erfolg.
    Genera wusste, all das würde viel Zeit und Mühe kosten, aber sie war noch nie vor harter Arbeit zurückgeschreckt. In diesem Punkt unterschied sie sich grundlegend von ihrer Mutter. Und das war nicht der einzige Aspekt, in dem Genera Os- borne und Glory Campbell sich unterschieden.
    Der zweite war - Männer. Ohne Mann fühlte Glory sich verängstigt und unvollkommen, ganz gleich, was er darstellte oder wie er sie behandelte. Allein deshalb saß sie auch genau in diesem Moment am Abflug-Gate des Flughafens, auf dem Weg zu einem heruntergekommenen jamaikanischen Alkoholiker mit fragwürdiger Vergangenheit und absolut keiner Zukunft. Genera hingegen stand auf eigenen Füßen. Sie war zweimal verheiratet gewesen. Einmal verwitwet und jetzt geschieden, sagte sie gern; sie habe »ihre Zeit abgebüßt« - mit einem Hauptgewinn und einer totalen Niete und derzeit verbüßte ihr zweiter Mann gerade seine Zeit. Sie hatte nichts gegen Männer, aber sie war zu der Einsicht gekommen, dass sie nur dazu taugten, gewisse körperliche Bedürfnisse zu befriedigen.
    Wenn diese Bedürfnisse sie überkamen, hatte Genera nie Probleme, einen Mann zu finden, der sich der Angelegenheit annahm. Einen Abend mit ihrer besten Freundin um die Häuser gezogen, und in der Regel war das Problem gelöst, denn mit vierzig war Genera immer noch eine kaffeebraune, exotische Schönheit, und sie war durchaus bereit, ihr Äußeres einzusetzen, um zu bekommen, was sie wollte: ein bisschen Spaß ohne Verpflichtungen. In Anbetracht ihrer Karrierepläne hatte sie inihrem Leben keinen Platz für einen liebeskranken Mann, der irgendetwas anderes von ihr wollte als bloßen - wenn auch geschützten - Sex.
    Als Genera in die schmale Garageneinfahrt vor ihrem Haus einbog, waren Joel und Toby bereits seit einer Stunde von ihrem Ausflug zum Ententeich in Meanwhile Gardens zurück und saßen mit tauben Hinterteilen in der eisigen Kälte wieder auf der Treppe. Genera entdeckte ihre Neffen zuerst nicht, weil die Straßenlaterne schon seit letztem Oktober kaputt war, und es sah nicht so aus, als hätte irgendjemand die Absicht, sie in naher Zukunft zu reparieren. Was sie stattdessen sah, war ein Einkaufstrolley, den irgendwer mit Habseligkeiten vollgestopft und dann vor ihrer Garage abgestellt hatte.
    Zunächst glaubte Genera, die Sachen seien für den Second- handladen bestimmt, und obwohl sie es nicht sonderlich schätzte, wenn die Nachbarn ihre aussortierten Kleidungsstücke vor ihrer Haustür abluden, statt sie zur Harrow Road zu bringen, wäre es Genera dennoch nicht in den Sinn gekommen, Waren zu verschmähen, die sich vielleicht noch verkaufen ließen. Darum war sie immer noch bester Laune, als sie aus dem Wagen stieg, um den Trolley beiseitezuschieben. Sie hatte einen erfolgreichen Nachmittag in einem Fitnessstudio in der Portobello Green Arcade verbracht, wo sie ihre Sportmassagen vorgeführt hatte.
    Dann sah sie die Jungen, ihre Koffer und Plastiktüten. Auf einen Schlag verspürte Genera Furcht, und Erkenntnis folgte der Furcht auf dem Fuße.
    Sie schloss die Garage auf und öffnete das Tor, ohne ein Wort an ihre Neffen zu richten. Sie wusste ganz genau, was jetzt kommen würde, und sie fluchte - leise genug, dass die Jungen sie nicht hören konnten, aber doch so laut, dass es ihr ein klein wenig
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