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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
Autoren: Charlotte Link
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massakriert hat«, sagte Lucy mißvergnügt.
    Sie saß in Geraldines Wohnzimmer auf dem Sofa, den Daily Mirror vor sich, und hatte gerade zum wiederholten Male den Bericht über die Yorkshire-Morde studiert, in dem der Fall für abgeschlossen erklärt und der tagelang landesweit gesuchte Phillip Bowen rehabilitiert wurde.
    »Es scheint ja tatsächlich eine von denen gewesen zu sein. Hätte ich nie gedacht.«
    »Ich habe nie geglaubt, daß Phillip etwas so Schreckliches tun könnte«, behauptete Geraldine, obwohl sie von genügend Zweifeln gequält worden war. »Er war vielleicht nicht immer besonders nett zu mir, aber er ist kein Killer. So sehr konnte ich mich in ihm nicht täuschen.« Sie hockte im Schneidersitz auf dem Boden. Mit ihrer an diesem Morgen noch ziemlich verstrubbelten Kurzhaarfrisur sah sie aus wie ein junges Mädchen.
    Wenn sie nur endlich wieder arbeiten würde, dachte Lucy, sie wäre ganz schön gefragt.
    »Wenn ich dir eines raten darf, Geraldine«, sagte sie, »dann versuche jetzt nicht, wieder etwas mit Bowen anzufangen. Die Sache ist gelaufen. Ihr paßt nicht zusammen. Bitte kümmere dich wieder um deine Arbeit und verplempere nicht deine Zeit damit, hinter einem Mann herzulaufen, der dich nicht will.«
    »Nein, nein«, sagte Geraldine, aber das klang für Lucys Ohren ein wenig zu hastig. Sie seufzte. Jede Wette, daß Geraldine insgeheim schon wieder über eine Möglichkeit nachsann, Bowen zu treffen und sich mit ihm auszusprechen.
    »Ich hätte nächste Woche einen Job für dich in Mailand«, sagte sie.
    Geraldine blickte gelangweilt zum Fenster hinaus. »Wenigstens muß ich jetzt nicht mehr alle Türen verschlossen halten. Ich kann mich wieder frei bewegen. Ich muß keine Angst mehr haben.«
    »Da wäre ich nicht so sicher. Gut, er hat niemanden ermordet,
aber einen Schatten hat er, da kannst du sagen, was du willst. Und er wird dir garantiert nie verzeihen, daß du die Materialsammlung über seinen angeblichen Vater verfeuert hast. Wer weiß, wozu er noch fähig ist.«
    »Ach, Lucy! Du hast noch nie ein gutes Haar an ihm gelassen. «
    »Glaub doch nicht, daß dein Leben mit ihm plötzlich besser wird. Er bleibt der Mann, der er ist. Er wird hinter diesem Stanbury her sein und seine Zeit bei Anwälten und Gerichten verbringen. Er wird dabei völlig pleite gehen und dich nur brauchen, um dich hin und wieder anzupumpen. Geraldine, es wird alles beim alten bleiben.«
    Aber Geraldine schien bereits wieder in eigene Gedanken versunken, und Lucy spürte, daß sie sie schon nicht mehr erreichte.
    Sie seufzte. Es blieb tatsächlich alles beim alten.
     
    Als Jessica aus dem The Fox and The Lamb hinaus auf die Straße trat, stand plötzlich Ricarda vor ihr, so unvermittelt, daß Jessica zusammenzuckte. Der Morgen war so herrlich wie am Tag zuvor, voller Sonne und Wärme und schmeichelndem Wind. Auf dem Pflaster vor dem Hotel wälzte sich behaglich eine Katze, streckte alle vier Pfoten in die Luft und ließ sich die Sonnenstrahlen auf den weißen Bauch scheinen.
    »Ricarda!« rief Jessica überrascht.
    Ricarda wirkte ein wenig unbehaglich und verlegen. »Ich wollte gerade zu dir«, sagte sie.
    »Hast du Lust, ein bißchen mit mir zu laufen?« fragte Jessica. »Da drin ist es ziemlich düster und stickig.«
    Ricarda nickte, und sie gingen nebeneinander die Dorfstraße entlang, schweigend zunächst, weil die Fremdheit noch immer zwischen ihnen stand.
    So sind wir noch nie nebeneinanderher gelaufen, dachte Jessica, zeitweise schien es ausgeschlossen, daß wir je so weit kommen könnten.

    »Ich hab’s schon gehört«, unterbrach Ricarda schließlich das Schweigen.
    Sie kamen gerade an dem Gemischtwarenladen von Mrs. Collins’ Schwester vorbei, und Jessica konnte sehen, daß der kleine Raum voller Menschen war. Sicher wurde die neueste Entwicklung im Fall der Morde von Stanbury House diskutiert, und niemand wollte sich auch nur den kleinsten Informationsfetzen entgehen lassen.
    »In der ganzen Gegend wird wohl über nichts anderes gesprochen«, meinte Jessica.
    Ricarda nickte. »Schon gestern abend kamen Farmer aus der ganzen Gegend - oder besser: ihre Frauen - zu uns, weil sich offenbar schnell verbreitet hat, daß ich jetzt bei Keith wohne. Jede meinte, von mir noch etwas erfahren zu können. Dabei weiß ich ja auch nicht viel.«
    »Du kennst Evelin seit vielen Jahren. Und das macht dich zu einer unschätzbaren Informationsquelle.«
    »Sie haben mich angewidert«, sagte Ricarda. »Sie waren so …
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