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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Autoren: Joachim Fuchsberger
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Haus!«
    »Wo ist das?«
    Ich schau ihn verständnislos an.
    »Wo wohnst du?«
    »Hier!«

    »Was heißt hier?«
    Ich zeige auf das Haus neben uns.
    »Na hier, Sandy Bay Road 588!«
    »Bist du hier Mieter?«
    »Nein!«
    »Was dann?«
    »Eigentümer.«
    Er überlegt.
    »Was machst du hier?«
    »Dokumentarfilme über Australien für das deutsche Fernsehen!«
    »Good on you!«
    Dieses »good on you« ist vermutlich der Wendepunkt in dieser Begegnung. Es bedeutet frei übersetzt: »gut für dich!« und gilt als besonderes australisches Kompliment. Der Officer konzentriert sich wieder auf den deutschen Führerschein.
    »So was hab ich noch nie gesehen - gilt der wirklich auf Lebenszeit?«
    Zum Glück besteht er nicht darauf, meinen Pass sehen zu wollen. Er hätte das Visum für »ständigen Aufenthalt« entdeckt, für »Permanent Residents«, und Permanent Residents brauchen eine australische Driver Licence. Hätte er bemerkt, dass ich die nicht habe, hätte er mir mit Sicherheit einen Haufen Schwierigkeiten bereitet.

    »Ich lüge dich nicht an«, sage ich, halte es aber doch für sicherer, noch ein bisschen anzugeben.
    »Dein Ministerpräsident, Jim Bacon, hat mir den Titel ›Crown Commissioner‹ verliehen. Ruf in seinem Büro an und erkundige dich nach mir!«
    Er überlegt.
    »Okay - diesmal lass ich es gut sein. Nächstes Mal nimm den Sicherheitsgurt erst ab, wenn du aussteigst!«
    Und mit einem Blick auf das zugegeben respektable Haus, als dessen Eigentümer ich mich zu erkennen gegeben hatte, setzt er noch hinzu: »Und wenn du hier lebst, mach deine australische Driver Licence!«
    Immer noch kopfschüttelnd gibt mir der Officer den zerfledderten Führerschein zurück, grüßt und begibt sich zu seinem an meiner Stoßstange klebenden Streifenwagen, wendet betont forsch auf dem Vorplatz und schießt mit durchdrehenden Rädern von meinem Grundstück. Wohl wissend, dass er nach australischem Recht auf privatem Grund keine Handhabe zu irgendwelchen Maßnahmen hat.
    Die strenge Alterskontrolle bei der Fahrerlaubnis für alte Leute halte ich für absolut richtig, nebenbei bemerkt!

    Offensichtlich hat das Alter in Australien einen anderen Stellenwert als bei uns. Im privaten Bereich wie bei den Behörden. Neben der Driver Licence, der wichtigsten Identifikation, die überall gilt, wo man sich ausweisen muss, gibt es eine »Seniorcard« für jeden australischen Staatsbürger über sechzig. Diese Karte bietet beachtliche Vergünstigungen in Kinos, Theatern, öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Sportveranstaltungen und wo sonst noch. Ein dickes Heft sagt dir, wo du etwas günstiger kaufen kannst. Mit dieser Seniorcard erspart sich der Inhaber nicht nur eine Menge Dollar, nein, er erfährt generell hilfreiche Aufmerksamkeit. In Zügen und Straßenbahnen sind Plätze für »Aged People« reserviert. An manchen Eingängen findet man die Bitte, älteren Menschen den Vortritt zu lassen.
    In Australien ist die Frage »Can I help you?« nicht nur höfliche Floskel, sondern täglich praktizierte Hilfsbereitschaft. Immer wieder werde ich gefragt, was denn der Unterschied ist zwischen hier und drüben.
    Ein Beispiel: In der Viermillionenmetropole Sydney findet sich der Fremde nicht so leicht zurecht. Schon gar nicht, wenn er mit dem Auto durch die Stadt fährt und gar noch von irgendwo in der Welt mit Rechtsverkehr kommt.

    Ich hatte mich mal wieder total verfranzt. An einer Ampel fragte ich den neben mir Stehenden: »Wie komme ich zur Spit Bridge?«
    Die Ampel schaltet auf Gelb.
    »Nicht einfach zu erklären!«
    Ampel auf Rot. Kurzer Blick.
    »Just follow me!«
    Keine Zeit, ihm zu danken. Mühsam hinter ihm zu bleiben. Nächste Ampel. Ich schaffe es wieder neben ihn.
    »Danke! Sehr nett von dir - ist es dein Weg?«
    Ampel auf Gelb - er grinst zu mir herüber. Ampel auf Rot.
    »Nein, aber mein Vergnügen! Wenn wir da sind, geb’ ich dir ein Zeichen.«
    Weg war er. Gute zehn Minuten lotste er mich durch den Verkehr, bis zur Abfahrt zur »Spit Bridge« im Stadtteil Mosman. Eine Lektion für praktizierte Hilfsbereitschaft.
     
    Warum sind die Menschen dort so? Weil es noch nicht so lang her ist, dass alle, die hier ankamen, fremd waren und sich nicht auskannten? Weil Alte und Junge schnell begriffen, dass sie aufeinander angewiesen sind, auf Gedeih und Verderb? Dass sie sich nicht auseinanderdividieren lassen durften, wenn sie
überleben wollten. Vielleicht haben sie gerade das von denen gelernt, die sie vertrieben, gepeinigt und oft wie
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