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Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Autoren: Yvonne Pioch
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kaum, dass ihr wegen ihres Vaters wieder Tränen über die Wangen liefen. Sie versuchte, sich einen Reim aus dem zu machen, was sie gehört hatte, aber es wollte ihr nicht recht gelingen. Offensichtlich hatten Henri und Miraj gewusst, dass ein Angriff bevorstand. Wer waren die Magier – diese Männer in den Umhängen? Warum hatten sie den Hof angegriffen, wenn ihr Bruder doch selbst Zauberkräfte besaß? Und wo lag der mysteriöse Zielort?
    Als die Sonne endlich untergegangen war, hielt Miraj die Pferde an und stieg ab. „Hier sollten wir ein Nachtlager aufschlagen. Der Wald wird uns vor den Verfolgern verbergen. Henri, Anne, sucht etwas Feuerholz zusammen. Ich gehe auf die Jagd“, kündigte er an. Schon verschwand Miraj zwischen den Bäumen. Henri wandte sich um und wollte gleich mit der Arbeit beginnen, doch Anne hielt ihn am Arm zurück. „Willst du mir nicht endlich erklären, was hier los ist?“ fragte sie. – „Schwester, dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen uns erst in Sicherheit bringen. Dann werden Miraj und ich dir das erzählen, was für deine Ohren bestimmt ist.“ Anne wunderte sich über die Formulierung. Schon wandte sich Henri wieder ab und begann, den Boden nach geeigneten Zweigen abzusuchen. „Wie können wir ein Feuer machen und gleichzeitig davon ausgehen, dass man uns nicht sieht?“, fragte Anne verwirrt. Henri schnaubte. „Du hast doch gesehen, dass ich Dinge unsichtbar machen kann“, erwiderte er. – „Ich habe aber auch gesehen, dass dein Zauber nicht lange angehalten hat.“ Sobald sie es ausgesprochen hatte, hätte sie ihre Worte am liebsten wieder zurückgenommen. Wütend starrte Henri ihr ins Gesicht. „Du hast von diesen Dingen sowieso keine Ahnung, also warum hältst du nicht einfach den Mund und kümmerst dich um deine Angelegenheiten?“ Mit diesen Worten marschierte Henri in den Wald hinein und ließ Anne stehen. Da hatte sie wohl genau das Falsche gesagt.
    Anne blickte ihrem Bruder traurig nach. Früher, als sie noch Kinder waren, hatten Henri und sie sich einmal gut verstanden. Doch seitdem er auf die Universität ging, stellte Anne fest, wie er sich von Begegnung zu Begegnung mehr veränderte.
    Sie fröstelte und dachte einen Moment wehmütig an all die warmen Kleider, die sie hatte zurücklassen müssen – und die nun wohl dem Feuer zum Opfer gefallen waren. Und was war mit den Tieren geschehen? Waren sie ebenfalls verbrannt, hatten die schwarzen Gestalten sie mitgenommen oder waren sie in die Freiheit entflohen? Dann erschien wieder das Bild des toten Vaters vor ihrem inneren Auge und sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. „Was soll jetzt nur aus mir werden, ohne den Hof und ohne Vater?“, murmelte sie. Gewiss, sie hatte davon geträumt, ein ganz anderes Leben zu führen. Doch jetzt, wo sich ihr bisheriges Dasein buchstäblich in Rauch aufgelöst hatte, fühlte sie sich kläglich. Ihre Zukunft war ihr nie besonders rosig erschienen, aber nun wusste sie gar nicht mehr, wie diese aussehen sollte. Ja, wenn ihr Bruder und sie sich besser verstünden. Aber so – würde Henri sich um sie kümmern? Es kam ihr vor, als wäre er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, mürrisch und geheimniskrämerisch, wie er in letzter Zeit war. Ansonsten hatten sie keine Verwandten. Blieb also nur noch Miraj.
    Während Anne noch schluchzte und über ihr weiteres Schicksal grübelte, kam dieser aus dem Wald mit jeweils einem Rebhuhn unter den Armen. „Wo ist dein Bruder?“, erkundigte er sich. „Feuerholz holen“, schniefte Anne. – „Er sollte sich doch nicht so weit von hier wegbewegen.“ Miraj seufzte und legte die Hühner auf den Boden. Er sah etwas hilflos zu Anne hinüber und schien gerade entschlossen, sich zu ihr zu setzen, als Henri mit dem Holz zurückkam. „Ich habe ganz in der Nähe einen Bach gefunden, wo wir die Pferde tränken und unsere Feldflaschen auffüllen können“, sagte dieser mit ausdrucksloser Miene. „Gut“, entgegnete Miraj, „ich werde sie nach dem Essen dorthin bringen. Aber lass deine Schwester nicht mehr so lang allein. Wir sind hier nicht sicher.“
    Henri machte eine unwillige Miene, nickte aber und setzte sich zu Anne. „Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe“, sagte er leise, den Blick jedoch nicht auf seine Schwester, sondern auf Miraj gerichtet. „Es ist wegen Vater. Ich … ich hätte gedacht, ich könnte ihn beschützen, sonst wären wir gar nicht zu euch gekommen. Ich trage die Schuld an seinem Tod.“ Anne
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