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Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Titel: Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)
Autoren: Claus Riemann
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das Paar sehr gern zu erfüllen, und die Eltern vergaßen ihr Versprechen nicht.
     
    Achtzehn Jahre nach diesem Tage fand das feierliche Hochzeitsfest des Sohnes statt. Da näherte sich dem Dorfe ein prächtiger Königszug. König Dschaswant saß auf einem großen, weißen Elefanten, seine Höflinge umgaben ihn auf feurigen Rappen, und seine Soldaten folgten auf edlen Braunen. Aus dem Dorfe tönten ihnen zur Begrüßung Trommeln und Trompeten, Hörner und Tschinellen entgegen, und alle Einwohner kamen zusammen, um ihren König zu begrüßen und sich ehrerbietig vor ihm zu verneigen.
     
    Der König stieg vor dem Haus des Dorfältesten von seinem Elefanten herab, begrüßte alle Hochzeitsgäste und überreichte dem Brautpaar sein königliches Geschenk – eine prachtvolle Truhe voller Gulden, die reich mit Edelmetallen beschlagen war.
     
    Die Höflinge und Soldaten des Königs hatten ihre Befehle erhalten und umzingelten das ganze Dorf Mann neben Mann, sodass keine Maus eindringen konnte. Auf diese Weise wollte König Dschaswant dem Schicksal in den Arm fallen. Und dann begann die Hochzeitszeremonie. Der Dorfpriester sprach die einleitenden Worte, Bräutigam und Braut fassten einander bei der Hand und umschritten das heilige Feuer, wobei sie ihm ihre rechte Seite zukehrten. Alle Gäste schauten schweigend zu und König Dschaswant umschloss sein mächtiges Schwert fester mit der Rechten und spähte um sich, ob sich nicht der Löwe nähere, von dem vor achtzehn Jahren die Schicksalsgöttin Widhatri gesprochen hatte.
     
    Er konnte jedoch nichts Verdächtiges erblicken. Das Brautpaar hatte das heilige Feuer schon fast umrundet, da ertönte auf einmal das furchtbare Brüllen eines Löwen. Von einem Tonkrug, der auf einem Podest stand und dessen Wände mit verschiedenen Tierbildern geschmückt waren, sprang der Löwe herab! Dieser riesige Löwe warf sich auf den Bräutigam, biss ihn in den Hals und kehrte auf seinen Platz am Krug zurück, der auf dem Podest stand. Niemand hatte das Furchtbare verhindern können. Der Angriff des Löwen war so plötzlich und überraschend gekommen, dass auch König Dschaswant mit seinem Schwert nicht mehr eingreifen konnte.
     
    So endete die Hochzeit vorzeitig und in großer Trauer. Der Priester schritt in den Tempel, um den Göttern zu opfern, und die Hochzeitsgäste gingen trauernd und bedrückt auseinander.
     
    König Dschaswant bat den Dorfältesten und seine Frau, ihm zu erlauben, den toten Körper ihres Sohnes mit sich in die Hauptstadt zu führen. Er sprach zu ihnen: »Dass ich euren Sohn nicht vor dem Tode bewahren konnte, obwohl ich mich so sehr darum bemühte, kann mich nicht daran hindern, noch zu versuchen, ihm das Leben wiederzugeben.«
     
    Die Eltern gewährten ihm seine Bitte, denn der plötzliche und absonderliche Tod ihres Sohnes lähmte ihre Gedanken so, dass sie vergaßen, dass nach den heiligen Büchern eine Begräbniszeremonie stattfinden müsse. So überführte König Dschaswant den leblosen Körper des jungen Bräutigams in seinen Palast in der Hauptstadt.
     
    Dort befahl er, ihn auf einem Marmorlager im kühlen Kellergewölbe niederzulegen und mit duftenden Salben zu bestreichen. Dann beriet er sich mit den berühmtesten Ärzten, aber auch mit den weisen, alten Kräuterweiblein, doch niemand konnte ihm sagen, wie ein Mensch zu neuem Leben erweckt werden könne, der durch einen Löwenbiss den Tod fand.
     
    Da beschloss der König, selbst Heilpflanzen und Wurzeln zu suchen. Er streifte durch Wälder und Dschungel und pflückte jede besondere und eigenartige Pflanze, die er nur finden konnte. Dann probierte er die Wirkung all ihrer Teile aus – der Wurzeln und Blätter, Blüten, Früchte und Rinde. Doch alles vergebens, der Sohn des Dorfältesten war und blieb tot und starr.
     
    Nach vielen Wochen, als König Dschaswant wieder einmal im Wald nach Heilkräutern und Wurzeln suchte, erblickte er ein loderndes Feuer. Eilig näherte er sich den Flammen, aus denen eine menschliche Stimme rief: »König Dschaswant, König Dschaswant! Errette mich aus den Flammen, oder ich verbrenne!«
     
    Der König zögerte keinen Augenblick und sprang ins lodernde Feuer. Dort erblickte er eine zusammengerollte Kobra. Schnell ergriff er die Schlange und trug sie aus den Flammen.
     
    Da sprach die Kobra: »Habe Dank, König Dschaswant! Du hast mich von den Flammen befreit, in die mich einst der Heilige Narada warf, weil ich ihn beleidigte. Ohne deine Hilfe müsste ich hier im Feuer
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