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ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
Autoren: Nina Suslik
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gerichtet. Es war Ibrahim. Sein Gang. Sein Herzschlag. Es war alles wie bei Aljoscha, nur richtete er den Lauf seiner Waffe auf uns. Ein leises „…Wie…?“ entwich mir im Affekt.
             „Du siehst jetzt, warum Manyuk nutzlos ist. Hätte er mich getötet, stünde ich euch jetzt nicht im Weg.“
             „Soldat Kolashin, nimm die Waffe runter. Das ist ein Befehl!“ Rief ihm Anna so energisch entgegen, wie sie unter ihren Schmerzen bewerkstelligen konnte. Sein Zögern war spürbar. Seine ganze Existenz gründete darauf Befehle auszuführen. Es jetzt nicht zu tun schien ihn tatsächlich nervös zu machen. Er zweifelte.
             „Ludmilla Kovasan ist mir egal. Der Befehl sie zu töten wurde zurückgezogen. Aber ich werde Manyuk entsorgen!“ Seine Worte klangen fast trotzig. Er hatte mehr Emotionen in seiner Stimme als je zuvor.
             „Und ich befehle dir, es nicht zu tun!“ Rief Anna mit noch etwas mehr Vehemenz. „Außer mir ist niemand mehr da. Ich habe also das Kommando.“
    Ibrahim zögerte noch immer, doch er nahm die Waffe nicht runter.
             „Wenn ich es nicht tue, dann wird Manyuk entkommen. Er wird leben und ich werde entsorgt.“ Sagte er nun wieder mit vollkommen emotionsbefreiter Stimme. „So ist es doch, nicht wahr? Ich habe alles richtig gemacht und er alles falsch. Trotzdem wird er als Einziger übrigbleiben und ich lande auf dem Müll, so wie der Rest aus der ALTEA-Reihe.“ Seine Worte legten eine kaputte Psyche offen. Ein Mann, der sehr wohl in der Lage war sein eigenes Leben differenziert zu betrachten, doch stets versucht hatte den Erwartungen gerecht zu werden. Es ließ mich Mitleid empfinden und zur selben Zeit machte es mir Angst. Auch er wollte Gerechtigkeit für sich selbst und nur Aljoscha stand dem im Weg. Er führte Befehle aus, doch das bedeutete nicht, dass er nichts für sich selbst wollte. Ibrahim wollte ein Individuum sein. Er hatte nur nie begriffen wie er das bewerkstelligen konnte ohne seinen Zweck, seine Aufgabe, in Frage zu stellen.
             „Kolashin! Das ist die letzte Aufforderung!“ Anna spielte weiter die Karte der Befehlskette aus, nur schien es diesmal nicht zu funktionieren. Ibrahim rührte sich noch immer nicht.
             „…Sonst was? Welche Konsequenz habe ich zu befürchten?“ Fragte er geradeheraus.
    Dieser Satz warf Anna völlig aus ihrem Spiel. Sie schien nicht weiter zu wissen.
             „W-Wenn du meine Befehle befolgst, dann kann ich dafür sorgen, dass deine Entsorgung noch einmal überdacht wird.“ Annas Stimme wanderte bei diesem Satz eine Oktave höher. Es war eine offensichtliche Lüge. Sie konnte rein gar nichts für ihn tun.
             „Unsinn. Nichts kann das noch abwenden. So ist es doch?“ Er machte einen Schritt auf mich zu, doch ich bewegte mich nicht vom Fleck. Ob es eine Schockstarre war oder eine abgestumpfte Form von Courage wusste ich nicht. Ich fühlte schlicht keine Angst mehr. „Du hast Manyuk verteidigt, als wenn dein eigenes Leben davon abhinge. Ich will wissen, wieso?“
    Es war eine Frage, mit der ich niemals gerechnet hatte, doch die Antwort war simpel.
             „Weil es so ist.“
             „Was ist so?“ Fragte Ibrahim ungläubig.
             „Mein Leben hängt davon ab.“ Präzisierte ich.
             „Aber er ist nicht einmal ein Mensch. Er ist nur eine Waffe. Ein Ding! So wie ich!“
    Ich hatte keine Ahnung, ob ich noch irgendetwas sagen sollte oder es besser war zu schweigen. Diese Situation war so absurd. So unwirklich. Mein Herz durchschlug förmlich meinen Brustkorb und ich rührte mich keinen Millimeter. Mein Blick war starr auf Ibrahim gerichtet.
    „Sag etwas!“ Befahl er mir.
             „Das ist nicht wahr.“ Sagte ich leise aber bestimmt. „Er ist, was er sein will. Er hat einen Verstand… Eine Wahl.“ Mir stockte kurz der Atem. „Und du auch.“
    Mit einem Mal herrschte eine gespenstische Stille, die nur von dem Geräusch der Bombeneinschläge und den darauf folgenden Vibrationen unterbrochen wurde. Erde begann auf unsere Köpfe zu rieseln. Lange konnte der Tunnel den schweren Geschützen nicht mehr standhalten. Wir würden lebendig begraben werden. Ibrahim sagte noch immer nichts. Dann senkte er völlig unerwartet die Waffe. Ich konnte es gar nicht fassen. Anstatt Erleichterung, verspürte ich eine noch größere Anspannung. Was würde jetzt passieren? Was
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