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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition)
Autoren: Thomas Bernhard
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genial gemalte oder auch nur außerordentlich gemalte Hand zu sehen wäre, nur immer wieder diese auf so tragikomische Weise mißglückten Hände, so Reger, sehen Sie hier auf allen diesen Portraits, selbst auf den berühmtesten. Ein auch nur außerordentliches Kinn oder ein tatsächlich gelungenes Knie zu malen, ist auch keinem dieser sogenannten Alten Meister gelungen. El Greco hat niemals auch nur eine einzige Hand malen können, El Grecos Hände schauen immer aus wie schmutzige nasse Waschlappen, sagte Reger jetzt, aber El Greco gibt es im Kunsthistorischen Museum ja gar keinen. Und Goya, den es ja auch im Kunsthistorischen Museum gar nicht gibt, hat sich davor gehütet, auch nureine einzige Hand deutlich zu machen, was die Goyahände betrifft, ist selbst Goya im Dilettantismus steckengeblieben, dieser fürchterliche ungeheuerliche Goya, den ich über alle Maler stelle, die jemals gemalt haben, so Reger. Und dann ist es ja geradezu deprimierend, hier in diesem Kunsthistorischen Museum immer nur eine Kunst zu sehen, die als Staatskunst zu bezeichnen ist, als eine geistfeindliche habsburgisch-katholische Staatskunst. Seit Jahrzehnten ist es immer das gleiche, ich gehe ins Kunsthistorische Museum und denke, das Kunsthistorische Museum hat nicht einmal einen Goya! Daß es keinen El Greco hat, ist ja, was mich und meine Kunstauffassung betrifft, kein Unglück, aber daß das Kunsthistorische Museum keinen Goya hat, ist tatsächlich ein Unglück, so Reger. Wenn wir den Weltmaßstab anlegen, so Reger, müssen wir sagen, daß das Kunsthistorische Museum, ganz im Gegensatz zu seinem Ruf, gar kein erstklassiges Museum ist, denn es hat ja nicht einmal den großen, alles überragenden Goya. Dazu kommt, daß das Kunsthistorische Museum total dem Kunstgeschmack der Habsburger entspricht, den Habsburgern, die ja, wenigstens was die Malerei betrifft, einen abstoßenden, völlig geistlosen katholischen Kunstgeschmack gehabt haben. Für die Malerei haben die katholischen Habsburger nicht viel mehr übrig gehabt als für die Literatur, weil ihnen Malerei und Literatur immer als die gefährlichen Künste erschienen sind zum Unterschied von der Musik , die ihnen niemals gefährlich werden konnte und die sie gerade weil sie so geistlos gewesen sind, die katholischen Habsburger, sich zur vollen Blüte haben entfalten lassen , wie ich einmal in einem sogenannten Kunstbuch gelesen habe. Habsburgische Verlogenheit, habsburgischer Schwachsinn, habsburgische Glaubensperversität hängt an allen diesen Wänden, das ist die Wahrheit, so Reger. Und in allen diesen Bildern, selbst in den Landschaften, dieser perverse katholische Glaubensinfantilismus. Gemeine Kirchenheuchelei selbst in den Bildern mit dem höchsten, ja allerhöchstenMalanspruch, das ist das Widerwärtige. Alles im Kunsthistorischen Museum Ausgestellte hat einen katholischen Heiligenschein, da nehme ich auch Giotto nicht aus, so Reger. Diese widerlichen Venezianer, die sich mit jeder Pfote, die sie gemalt haben, an den katholischen Voralpenhimmel anklammern, sagte er jetzt. Sie können im Kunsthistorischen Museum kein einziges gemaltes natürliches Gesicht sehen, immer wieder nur ein katholisches Antlitz . Betrachten Sie doch einmal einen gutgemalten Kopf hier längere Zeit, am Ende ist es doch nur ein katholischer, so Reger. Selbst das Gras auf diesen Gemälden wächst als ein katholisches und selbst die Suppe in den holländischen Suppenschüsseln ist nichts als die katholische Suppe, sagte Reger jetzt. Unverschämter gemalter Katholizismus ist das, nichts anderes, so Reger. Diese sechsunddreißig Jahre bin ich ja nur deshalb ins Kunsthistorische Museum gegangen, weil hier das ganze Jahr über die ideale Temperatur von achtzehn Grad Celsius herrscht, die nicht nur der Leinwand dieser Kunstwerke, sondern auch meiner Haut und vor allem auch meinem hochempfindlichen Kopf die beste ist, so Reger. Eingehende Kunstbetrachtung, selbstmörderische Methode, eine gewisse Altersmeisterschaft erlangt , sagte Reger jetzt. Kein Gewohnheitsrecht im Kunsthistorischen Museum , sagte er, Kunsthaß im Grunde, Kunstwahnsinn irreparabler . Zweifellos, mein lieber Atzbacher, wir sind schon beinahe auf dem Höhepunkt unserer Chaos- und Kitschepoche, sagte er und: dieses ganze Österreich ist ja nichts anderes, als ein Kunsthistorisches Museum, ein katholisch-nationalsozialistisches, fürchterliches. Demokratieheuchelei , sagte er. Ein chaotischer Mist ist dieses heutige Österreich, dieser
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