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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM
Autoren: Stanislaw Lem
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Vertiefungen eingelassen, weil sich in der inneren Wandung des menschlichen Schädels solche fingerartigen Höhlungen finden. Diesen Einfall des Architekten fand ich vulgär; er entsprach dem Stil von Disneyland. Er sollte den Besuchernbewußt machen, daß sie auf ein riesiges Gehirn hinabschauen, so als hätte dieses einer Reklameaufmachung bedurft. Die Galerie wurde nicht speziell für Besucher geplant; es kam zu ihrem Bau, als das gewöhnliche Dach durch eine Kuppel ersetzt wurde. Sie ist sehr dick, weil sie eine Abschirmung gegen kosmische Strahlen enthält. GOLEM selbst hat die Materialzusammensetzung der abschirmenden Schichten festgelegt. Wir haben nicht feststellen können, daß die Strahlung seine intellektuelle Leistungsfähigkeit beeinflußt hätte. Er hat nicht näher erläutert, in welcher Weise sie ihm schadet, doch wurden die Mittel für den Umbau rasch angewiesen, denn das Pentagon, das uns die beiden Lichtriesen unbefristet überlassen hatte, war zu jener Zeit insgeheim noch der Hoffnung, sie sich nutzbar zu machen. Das glaubte ich jedenfalls, denn anders war kaum zu verstehen, wie leicht die Kredite gewährt wurden. Unsere Informatiker haben vermutet, daß dieser Wunsch GOLEMs gewissermaßen auf Zuwachs berechnet war. Er deutete auf dessen Absichten hin, sich in Zukunft noch weiter zu potenzieren, durch einen nochmaligen Umbau, zu dem er unserer Hilfe nicht bedurfte. Er legte deshalb den Freiraum zwischen sich und der Decke so fest, daß der ringsum verbleibende Leerraum sich für eine Galerie geradezu anbot. Ich weiß übrigens nicht, wer auf die Idee gekommen ist, diesen Platz zu nutzen für eine Zurschaustellung, die ein Mittelding ist zwischen einem Panoptikum und einem Museum. Alle zehn Schritte befanden sich in Nischen der Galerie sechssprachige Informatoren, bei denen man erfahren konnte, welchem Zweck dieser Raum dient und was die Milliarden von Lichtblitzen bedeuten, die aus den gläsernen Windungen im Brunnen unablässig heraufleuchteten. Der Brunnen glühte ständig wie der Krater eineskünstlichen Vulkans. Es herrschte dort eine Stille, die nur durch das leise Rauschen der Klimaanlage untermalt wurde. Fast das gesamte Gebäude bildete den Brunnen, in den man von der Galerie aus hinabschaute durch stark geneigte Scheiben, die vorsichtshalber aus Panzerglas waren. Sie sollten jeden Versuch unterbinden, die Lichtwindungen zu zerstören, die bei vielen Menschen mehr Angst als Bewunderung auslösten. Die Lichtleitungen selbst waren mit Sicherheit unempfindlich gegen jegliche Korpuskularstrahlung, genauso wie die Kryotronschichten, die, von Kühlrohren umhüllt, einige Stockwerke tiefer mit ihren weißbereiften Zellen von der Galerie aus nicht einzusehen waren. Diese unteren Geschosse waren von der Galerie nicht zugänglich. Schnellaufzüge verbanden die unterirdischen Parkdecks unmittelbar mit dem obersten Stockwerk. Die Techniker, welche die Kühlsysteme zu überwachen hatten, benutzten ihre eigenen Dienstaufzüge. Empfindlich für die Höhenstrahlung dürften wahrscheinlich die Josephsonschen Quantensynapsen gewesen sein, die sich unter dicken Knoten von Lichtleitungen verbargen. Sie lugten zwischen diesen gläsernen Adern hervor, aber um sie wahrzunehmen, mußte man von ihnen wissen, denn in dem unablässigen Geblinke erschienen sie wie verdunkelte Nischen.
    Zum zweiten Mal war ich vor einem Monat auf dieser Galerie; ich hatte mich zum MIT begeben, um das Archiv aufzusuchen und dort alte Protokolle einzusehen. Ich war allein, und diesmal erschien mir die Galerie sehr geräumig. Obwohl keine Besucher mehr kamen und wohl auch nicht gereinigt wurde, war es vollkommen sauber. Ich fuhr mit dem Finger über die Scheiben und überzeugte mich, daß auch nicht eine Spur von Staub auf ihnen lag. Die Informatoren in den Nischen glänztenebenfalls, als ob sie gerade erst installiert worden wären. Ein dicker, weicher Spannteppich verschluckt jeden Schritt. Ich wollte auf die Taste des Informators drücken, aber ich brachte es nicht über mich. Ich verbarg die Hand, mit der ich die Taste berührt hatte, in der Tasche, wie ein Kind, das vor der eigenen Tat erschrickt, so als hätte ich etwas berührt, was man nicht berühren darf. Ich wunderte mich über mich selbst und wußte nicht, woran es lag. Ich war ja durchaus nicht der Ansicht, mich in einem Grab zu befinden und hinter den dicken Scheiben eine Leiche zu erblicken; abwegig wäre dieser Gedanke freilich nicht gewesen, denn im Schein der Lampen,
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