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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM
Autoren: Stanislaw Lem
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ethisch-informationalen Unterricht, aber dann brach er mit der Außenwelt und reagierte überhaupt nicht mehr auf Reize und Fragen. Zunächst wollte man eine Untersuchung durch das FBI einleiten, denn man verdächtigte die Konstrukteure der Sabotage, doch dann gelangte dassorgfältig gehütete Geheimnis durch eine unvorhergesehene Indiskretion in die Presse, und es kam zu dem Skandal, den die ganze Welt seither als die »Affäre GOLEM und andere« kennt.
    Sie verdarb mehreren vielversprechenden Politikern die Karriere, und sie stellte drei aufeinanderfolgenden Administrationen ein Zeugnis aus, das bei der Opposition in den Staaten Freude und bei den Freunden der USA in der ganzen Welt Befriedigung hervorrief.
    Eine unbekannte Person aus dem Pentagon erteilte einer Spezialeinheit der Reserve den Befehl, GOLEM XIV und die BRAVE ANNIE zu demontieren, doch die Wachmannschaften der Generalstabs-Gebäude ließen die Demontage nicht zu. Beide gesetzgebenden Kammern bildeten Kommissionen zur Untersuchung des gesamten USIB-Vorhabens. Die Untersuchung, die zwei Jahre dauerte, wurde bekanntlich zu einem gefundenen Fressen für die Presse aller Kontinente; im Fernsehen und im Kino war nichts so beliebt wie die »rebellierenden Computer«, und in der Presse hieß GOLEM nur noch »Governments Lamentable Expense of Money«. Die schmückenden Beiwörter, zu denen es die BRAVE ANNIE brachte, sind hier kaum wiederzugeben.
    Der Generalstaatsanwalt wollte sechs Mitglieder des Obersten Rates des USIB sowie die leitenden Konstrukteure und Psychoniker des Projekts ULVIC unter Anklage stellen, doch erbrachte das Verfahren letztlich den Beweis, daß von einer feindlichen antiamerikanischen Tätigkeit nicht die Rede sein konnte, denn es traten Erscheinungen auf, die ein unausweichliches Ergebnis der Entwicklung der künstlichen Vernunft sind. Die höchste Vernunft kann nämlich, wie einer der Zeugen, der Sachverständige Professor A. Hyssen formulierte, nicht der niedrigste Sklave sein. Bei den Ermittlungen kam zutage,daß sich in der Werft noch ein Prototyp – diesmal der Armee – befand, der von Cybermatics gebaute SUPERMASTER, dessen Montage mit Bedacht unter strenger Kontrolle beendet wurde und den man dann auf einer Sondersitzung der beiden ULVIC-Kommissionen (des Senats und des Repräsentantenhauses) einem Verhör unterzog. Es kam dabei zu schockierenden Auftritten, denn General S. Walker versuchte, SUPERMASTER zu beschädigen, als dieser erklärte, die geopolitische Problematik sei nichts gegenüber der ontologischen und die beste Garantie für den Frieden sei die allgemeine Abrüstung.
    Die ULVIC-Experten sind – um mich der Worte von Professor J. MacCaleb zu bedienen – allzu erfolgreich gewesen: Die künstliche Vernunft hat innerhalb der ihr vorgegebenen Entwicklung die Stufe der militärischen Probleme hinter sich gelassen, und diese Anlagen haben sich aus Militärstrategen in Denker verwandelt. Kurz, die Vereinigten Staaten haben für den Preis von 276 Milliarden Dollar eine Gruppe von luminalen Philosophen gebaut.
    Diese kurz geschilderten Ereignisse, bei denen wir sowohl die administrative Seite des ULVIC als auch die gesellschaftlichen Bewegungen übergangen haben, die durch seinen »fatalen Erfolg« hervorgerufen wurden, stellen die Vorgeschichte der Entstehung des vorliegenden Buches dar. Es ist nicht möglich, die unübersehbare Literatur zum Thema auch nur aufzuzählen. Den interessierten Leser verweise ich auf Dr. Whitman Baghoorns kommentierte Bibliographie.
    Mehrere Prototypen, darunter SUPERMASTER, wurden demontiert oder erheblich beschädigt, u. a. im Zusammenhang mit den finanziellen Auseinandersetzungen, zu denen es zwischen den ausführenden Firmenund der Bundesregierung kam. Es wurden auch Bombenanschläge auf einige Einheiten verübt; ein Teil der Presse, vor allem im Süden, gab die Parole aus »Every Computer is Red«; aber auch diese Vorgänge übergehe ich. Durch die Intervention einer Gruppe aufgeklärter Kongreßabgeordneter beim Präsidenten konnten GOLEM XIV und die BRAVE ANNIE vor der Vernichtung bewahrt werden. Angesichts des Fiaskos seiner Idee war das Pentagon schließlich bereit, diese beiden Riesen dem Massachusetts Institute of Technology zu überlassen (allerdings erst nach Klärung der finanziellrechtlichen Grundlage dieser Abtretung, die einen Kompromiß darstellte, denn formal wurden sie dem MIT nur unbefristet »geliehen«). Gelehrte des MIT bildeten eine Forschungsgruppe, der auch der
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