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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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und Penatencreme – also alles, was es im Osten nicht gab – waren derart astronomisch, dass ich mich entschloss, auch im Westsektor meine soziale Waffe zum Einsatz zu bringen. Wer solche Wucherpreise für KINDER -Waren verlangte, gehörte doch umgehend bestraft. Oder? Ich steckte das ganze bunte Zeug in Hannas Fußsack und steuerte wild entschlossen Richtung Ausgang. Und tatsächlich, alles ging gut. Und es sollte noch viele Male gut gehen. Als mehr als zwanzig Jahre später der Schlecker-Konzern pleiteging, wusste ich: Das war auch meine Schuld.
    Heute stehe ich auf der anderen Seite. Reich bin ich immer noch nicht. Aber ich zahle Rechnungen pünktlich und gebe mein Bestes, nicht in den Dispo zu rutschen. Ich führe Ordner mit Quittungen fürs Finanzamt und lese aufmerksam meinen jährlich eintrudelnden und alles andere als verheißungsvollen Rentenbescheid. Und wenn ich bei strömendem Regen zwei Stationen mit der U-Bahn fahren muss, kaufe ich mir brav ein Ticket. Zu groß ist die Angst vorm Erwischtwerden. Klauen würde ich nichts mehr, auch wenn das (dies eine Information für die Aufrichtigen) ziemlich kickt. Die Kühnheit von einst ist einer erwachsenen Vernunft gewichen, die ich im Zusammenhang mit meiner Person eher nicht für möglich gehalten hätte. Und wenn Hanna anruft, weil die Stadtverwaltung ihr Konto abgeräumt hat, kann ich ihr helfen. Fühlt sich gut an.
    Dennoch, ohne Spuren ist meine arme Phase nicht geblieben. Wie jeder, der vom Krieg, vom Kaiser oder aushilfsweise von der größten DDR der Welt erzählt, habe ich diese Zeit der erzwungenen Bedürfnislosigkeit später verklärt. War das nicht auch schön: nichts wollen zu können, weil man nicht viel hatte? So in etwa schwang es in mir nach, als Hanna gleich nach ihrem Abitur laut darüber nachdachte, ihr Sparkonto zu räumen, um sich – Achtung! – eine Spülmaschine zu kaufen. Eine Spülmaschine für die erste eigene Wohnung? Ich fasste es nicht! Es gab zu Hause ein großes Gezeter, in dessen Verlauf von meiner Seite Wörter fielen wie »verrückt«, »früher«, »nichts gehabt« und »hastsiewohlnichtalle«. Hanna starrte mich während dieses Ausbruchs mit ihren hellblauen Augen nieder, wartete, bis ich einmal Luft holte, und erklärte dann kühl, dass sich seit meiner Jugend – also etwa seit dem Pleistozän – einiges geändert habe, Spülmaschinen in WG -Küchen seien quasi Standard. Meine neunzehn Jahre alte Tochter war also ein Dishwasher native. Gut, dachte ich in diesem Moment, dass sie auszieht. Übrigens letztlich in eine WG ohne Spülmaschine.
    Seither sind bekanntlich ein paar Jährchen vergangen. Hanna ist nun eine Mutter, also Teil jener Bevölkerungsgruppe, die im Konsumentensegment eine Sonderkategorie darstellt. Eltern sind ja die, denen jeden Tag ein bisschen mehr Angst gemacht wird. Vor Neurodermitis, vor Sprachfehlern, Pestizideiern, ADHS , vor dem großen Feind namens Zucker – die Welt steckt voller Gefahren für den kostbaren Nachwuchs. Gefahren, denen man aber begegnen kann: mit Hautpflegeprodukten zum Preis von Goldnuggets, mit Logopädieterminen, mit Naturholzspielzeug oder mit veganer Ernährung, die ungefähr so kostspielig ist, als speiste man Filet vom Kobe-Rind.
    Und was macht meine Tochter? Sie spült noch immer ihr dreckiges Geschirr mit der Hand, kauft Sophie Secondhandklamotten und Fertiggläschen vom Biodiscounter. Sie ist das, was wir in diesem Land strukturell arm nennen: Man verhungert nicht. Aber Lebensqualität sieht wirklich anders aus. Ich hoffe mal, dass sie auch immer schön brav ihre Einkäufe bezahlt.
    WIE ICH AN MEIN AUTO KAM UND WARUM GELD MANCHMAL EBEN DOCH GLÜCKLICH MACHT
    Mein Leben hat in den letzten Monaten eine unvorhergesehene Wendung genommen. Statt in Leipzig auf Kleinfamilie zu machen, wohne ich jetzt alleine mit Sophie in einer Zweizimmerwohnung fernab von allem, was ich bisher kannte. Nachdem mein Studium fertig studiert war, war auch die Liebe fertig geliebt. Für mein Aufbaustudium und um ein neues Leben aufzubauen, ging ich in die teuerste Stadt dieses Landes: München. Obwohl es eigentlich schon fast nicht mehr München ist. Ganz am Rand, in einer Straße, auf der Kinder spielen, dort wohnen wir. Das ist so ein Ort, an dem man sich fragt, ob die Leute hier immer noch das städtische Kennzeichen an den Autos haben. Haben sie, gerade noch so. Fünf Straßen weiter beginnt der Acker, und dahinter kommt lange Zeit nichts. Wir wohnen nicht da, weil das so besonders
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