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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Autoren: Edith Siemon
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fest beten, dann finden wir es bestimmt.« Was hab ich innig mein Nachtgebet gesprochen, kaum geschlafen und am Morgen den Herrgott gebeten, er möchte doch einen Engel schicken – mit meinem Stängeli. Ich wagte nicht, nach dem Küchenschrank zu sehen, wo Oma das Fach mit dem Kaffeegeschirr öffnete.

    Sie meinte so leichthin, dass sie mich habe beten hören, nun wollten wir nachsehen, ob im Schrank auch etwas für mich sei. Ich konnte es nicht fassen, meine Gebete waren erhört worden: mein Stängeli strahlte mich an. Ich war selig, trotz des Bewusstseins, dass nichts umsonst ist. Für alles im Leben musste man etwas tun und in diesem Fall: beten und gehorsam sein. Mein Glaube wurde neu gestärkt, meine täglichen Gebete nicht mehr vernachlässigt. Meinen Puppen erzählte ich das Erlebte und versprach ihnen, bestimmt nicht so streng zu ihnen zu sein wie Oma zu mir.

    Meinen leiblichen Vater bekam ich in all den Jahren kaum zu sehen. Wenn er einmal kurz aufkreuzte, wurde er ebenso schnell wieder verabschiedet. Er war für mich ein Fremder, dem ich mit Abstand begegnete. Wenn ich einmal wagte zu widersprechen, wurde mir gedroht, dass mein Vater käme und mich mitnehmen würde, dann gäbe es bestimmt härtere Strafen. Inzwischen hatte mein Vater wohl geheiratet, ich hatte einen Halbbruder und eine Halbschwester. So wurde ich ängstlich und befürchtete, dass man mich eines Tages weggeben würde. Ich wagte oft nicht, allein zum Bäcker zu gehen, der ganz in der Nähe seine Backstube hatte und wo ich mir gelegentlich ein Milchbrötchen holen durfte oder ein süßes Teilchen. Hinter jedem Strauch, hinter jeder Haustür sah ich meinen Vater lauern mit der Absicht, mich nach Hamburg mitzunehmen, wo er mit seiner Familie lebte. Ich gab mir alle Mühe, ein braves Kind zu sein, nicht zu fluchen oder Streiche auszuhecken, wie ich es gerne mit anderen Kindern getan hätte.
    Wenn abends um 18:00 Uhr die Kirchenglocken läuteten, ließ ich alles stehen und liegen, um der Anweisung meines Großvaters nachzukommen, dass es Zeit für Kinder sei, ins Haus zu kommen. Großvater konnte mich auch sehr verunsichern. Wenn ich auf seine Frage nach den Schulaufgaben stotternd antwortete, sah er mich an und sagte ernst: »Hansli«, so nannte mich Großvater immer, weil er gerne selbst noch einen Sohn gehabt hätte, »du schwindelst ja!«
    »Nein, Großvater, bestimmt nicht, ich sage die Wahrheit.«
    »Hansli, auf deiner Stirn steht aber geschrieben, dass du schwindelst.« Heimlich ging ich zu einem Spiegel, um zu sehen, ob er wirklich von meiner Stirn, manchmal auch von der Nasenspitze, ablesen konnte, dass ich (aber nur ein bisschen) geschwindelt hatte. Trotz aller Anstrengung konnte ich nie so etwas feststellen. Davon abgesehen war Großvater mein bester Freund. Ich habe es, solange er lebte, immer gespürt, wenn er es auch nicht deutlich zeigen konnte. Wenn es aber passierte, dass mir Unrecht geschah, setzte er sich für mich ein. Dafür half ich ihm auch bei der Arbeit. Mit einem Leiterwagen fuhr er immer zur Kohlenhandlung, um Briketts, Kohlen und Feuerholz zu kaufen. Stets war ich mit dabei. Auf dem Heimweg sagte ich ihm, dass ich nun alleine die Kohlen nach Hause ziehen wolle. Sah ich doch genau, wie sehr er sich abmühte beim Einsacken und Aufladen. Ernst versicherte er mir, dass er mir nur die kleine Anhöhe von dem Lager bis zur Straße helfen würde, dann aber den Griff festhalte, um den Leiterwagen zu steuern, denn beides könne ich nicht, dazu sei ich noch zu klein. Außerdem wolle er auch eine Kleinigkeit beitragen. Zu Hause erzählte er Großmutter, dass ich ganz alleine die Kohlen gezogen hätte, er sei nur der Steuermann gewesen. Was war ich stolz und froh darüber, Großvater diese schwere Arbeit abgenommen zu haben!
    Im Garten hatte ich mein eigenes kleines Beet, immer gab Opa mir von seinen Salatpflanzen und anderen Setzlingen ab. Eine kleine Gießkanne und kleine Gartengeräte gehörten auch zu meiner Ausstattung. Das Beet und meine Geräte musste ich selbst pflegen, Opa nahm sie nach der Gartenarbeit unter Kontrolle und lehrte mich so, die Dinge in Ordnung zu halten. Für alles hatte er einen Spruch, in diesem Fall sagte er mir:
    »Hansli, Ordnung ist das halbe Leben!«

3

    Meine Kindheit verlief behütet, ich fühlte mich geliebt von der großen Familie. Obwohl ich von zartem Wuchs und sehr feingliedrig war, war ich doch gesund und ging gerne zur Schule. Mein roter Kater Mumpi begleitete mich oft bis zum Eingang, und
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