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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Autoren: Edith Siemon
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man sie aus dem Kloster, sie war bereits Ende 20. Kurz danach muss sie wohl Opa kennengelernt haben. War es ein Wink des Schicksals? Oma hieß mit Vornamen Maria und Opa schlicht Josef. Genau ein Jahr nach dem Tod von Omas Vater heiratete ihre Mutter wieder. Der neue Mann war ebenfalls Bauer und brachte nochmals einen großen Hof mit ein, den sie aber verpachteten. Aus der Ehe stammt ein Sohn, er hieß Leo, aber ich glaube, es bestand keine geschwisterliche Nähe. Die drei Kinder aus erster Ehe wurden abgefunden. Omas Schwester Mina und ihr Bruder Fritz bekamen ein Häuschen, Ackerland, Wald und einen kleinen Viehbestand, so konnten sie zusammen Landwirtschaft betreiben. Die beiden Geschwister lebten zusammen und blieben auch unverheiratet. Bruder Fritz jedoch starb sehr bald an einem Krebsleiden. So blieb Tante Mina viele Jahre allein, bis sie im hohen Alter schwer dement wurde und von meiner Mutter aufgenommen wurde. Oft besuchte ich mit meiner Großmutter Tante Mina auf dem Land. Es war für mich immer ein riesiger Spaß. Angefangen bei der Bahnfahrt. Natürlich versuchte ich, überall zu helfen, es war ja genug Arbeit da, man ließ mich gewähren, und ich steckte viel Lob von Tante Mina und Oma ein, wenngleich ich viel durcheinanderbrachte. Auf das Geleistete war ich stolz und rundherum zufrieden. Am Wochenende gab es frischgebackenes Brot und Apfel- oder Zwetschgenkuchen.

    Mein Appetit war groß, und es schmeckte immer so gut. Das Einzige, was mir Angst machte, waren die Pferde, ich machte immer einen großen Bogen um sie, da half kein Zureden, auch nicht das Argument, dass meine beiden Cousinen gerne reiten. Dagegen aber war ich sehr stolz, zwei Kühe vor dem Heuwagen führen zu dürfen.
    Noch schöner war der Aufenthalt bei Tante Mina, wenn Cousine Lotti mit dabei war. Wir entdeckten täglich Neues, sahen, wie Küken schlüpften und neugeborene Kälbchen mit einer Flasche gefüttert wurden. Alles wurde ausprobiert, und am Ende glaubten Lotti und ich sogar, dass wir inzwischen alles besser konnten als die Erwachsenen.

    Ich war eine große Katzenfreundin, solange ich denken kann, waren Katzen meine liebsten Spielgefährten. Wir wohnten damals an der Hauptstraße in einem Doppelhaus. Ein Vorgarten grenzte an den Bürgersteig, ein Stück davon war überdacht und abgeteilt, so dass eine schöne Sitzecke mit Tisch vorhanden und kein Einblick von außen möglich war. Rundherum war die Laube mit wilden Kletterrosen bewachsen, ein sehr schöner Fleck, besonders für uns Kinder. Autos fuhren damals kaum, wir konnten auf dem Bürgersteig seilspringen, Ball werfen und einiges mehr, ohne dass Gefahr bestand.
    Unsere Wohnung lag gegenüber der katholischen Kirche. Großmutter war sehr darauf bedacht, dass ich sonntags mit ihr in die Kirche ging, auch einmal wochentags in die Morgenandacht, ehe ich zur Schule musste. Das Aufstehen fiel mir immer sehr schwer und oft wünschte ich mir dann, Oma wäre nicht so fromm. Sie achtete streng darauf, dass ich morgens und abends betete. Wenn sie einmal nicht dabei war, kam bestimmt die Frage an mich, ob ich gebetet hatte. Verneinte ich, so wurde es nachgeholt oder ich wurde damit bestraft, dass ich das versprochene Stück Schokolade nicht bekam.
    Oft lief ich mit Oma über die Rheinbrücke in die Schweiz zum Einkaufen. Man konnte damals täglich 100 g Bohnenkaffee ohne Zoll einkaufen, den trank Oma immer sehr gerne. Mir nähte sie für diese Einkäufe einen Pompadour-Beutel, den ich wie eine Handtasche tragen konnte. Beim Einkauf bat ich Oma immer um mein geliebtes Schokoladenstängeli, schön verpackt in farbiges Stanniolpapier, so groß wie eine Zigarre, was sie auch immer gewährte. Es kam dann in meinen Beutel, den ich am Zoll stolz öffnete. Doch einmal, als ich auf die Frage des Zöllners, ob ich etwas in dem schönen Beutel hätte, mit »Ja« antwortete, forderte er mich auf, den Beutel zu öffnen, damit er es überprüfen konnte.
    »Aber da ist ja gar nichts!« Mit Tränen in den Augen sah ich Oma an und fragte sie, ob sie wisse, wo mein Stängeli geblieben sei. Sie meinte ungerührt:
    »Das ist bestimmt abhanden gekommen, sicher hast du das Beten vergessen.« Ich schwieg den ganzen langen Weg und bemühte mich, meine Tränen zu unterdrücken. Zu Hause angekommen, meinte Oma, während sie ihre kleinen Einkäufe auspackte:
    »Weißt du, wir sehen morgen früh einmal nach, ob dein Schutzengel über Nacht etwas in den Küchenschrank gelegt hat. Du musst nur vor dem Schlafengehen
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