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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen
Autoren: A Beer
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Aber gerade heute war ein Streit mit Karin das Allerletzte, was sie noch gebrauchen konnte. Vorsichtshalber stellte sie ihre Schuhe ordentlich auf die Fußmatte und legte die Handschuhe und die Mütze zum Trocknen über die Heizung, bevor sie die Jacke auszog und über einen Bügel hängte. Manchmal half es, guten Willen zu zeigen.
    » Hattest du nicht gesagt, Theresa kommt noch mit hierher?«
    Die Frage traf wie ein Pfeil in die Brust. Marie presste die Lippen zusammen.
    » Nein«, murmelte sie undeutlich, ohne ihre Mutter anzusehen, und ignorierte dabei das Flattern, das schon wieder wie ein Echo des Anfalls in ihrem Körper vibrierte. » Ich muss noch Hausaufgaben machen.«
    Karin holte etwas angestrengt Luft. Marie konnte das Wort » Spülmaschine« förmlich hören, ohne dass es ausgesprochen wurde. Theresa war nicht da– also musste auch auf niemanden Rücksicht genommen werden.
    » Marie, wir hatten doch ausgemacht, dass…«
    » Ich weiß!« Die Tränen, die sie auf dem Weg nach Hause so angestrengt zurückgedrängt hatte, stiegen nun doch in ihre Augen. » Aber ich hab jetzt keinen Nerv drauf, okay?«
    Ohne noch eine Antwort abzuwarten, stürmte Marie an Karin vorbei in ihr Zimmer und warf die Tür krachend hinter sich ins Schloss. Sie wollte es nicht hören. Sie wollte gar nichts hören. Konnte ihre eigene Mutter denn nicht sehen, dass es ihr dreckig ging? Musste sie trotzdem mit diesem unnötigen Gemotze anfangen? Sie hatte einen Anfall gehabt, verflucht! Mit einem heiseren Schluchzen ließ sich Marie auf ihr Bett fallen und vergrub das Gesicht im Kissen.
    Leises Klopfen ertönte von der Tür her.
    » Marie…?«
    Marie gab keine Antwort. Mit vorsichtigen Schritten betrat ihre Mutter das Zimmer.
    » Ist etwas passiert?«
    Zitternd atmete Marie in das Kissen, das allmählich feucht wurde. Aber sie sagte nichts. Eine Weile blieb es an der Tür still– dann hörte Marie, wie ihre Mutter sich näherte. Die Matratze wippte, als sie sich vorsichtig auf die Bettkante setzte. Marie spürte sanfte Finger, die ihr behutsam über den Kopf strichen.
    » Alles in Ordnung, Kleines?«
    Marie drückte ihr Gesicht noch fester in das Kissen. Ein erneutes Schluchzen rüttelte an ihrem Brustkorb.
    » Geh weg«, murmelte sie heiser.
    Die streichelnde Hand hielt inne. Einen Moment lang lag sie warm und schwer auf Maries Hinterkopf. Dann seufzte Karin leise und zog ihren Arm zurück.
    » Tut mir leid, Liebes. Ich hatte einen stressigen Tag im Büro. Ich hätte das nicht an dir auslassen dürfen.«
    Marie umklammerte ihr Kissen noch ein wenig fester, obwohl sie allmählich keine Luft mehr bekam. » Lass mich einfach in Ruhe«, nuschelte sie in die Federn.
    Ihre Mutter schwieg eine Weile. Dann aber seufzte sie erneut, ein wenig schwerer diesmal, und stand auf.
    » Ich bin im Wohnzimmer, falls du etwas brauchst. Oder falls du reden möchtest. Du kannst immer zu mir kommen, Marie– das weißt du doch, oder?«
    Marie gab keine Antwort. Und dann, endlich, ging ihre Mutter, genau so leise, wie sie hereingekommen war.
    Marie drehte den Kopf zur Seite und starrte stumpf an die Wand mit der Raufasertapete neben ihrem Bett. Die Tränen flossen ihr immer noch aus den Augen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Ihr war klar, dass sie sich albern verhielt und dass ihre Reaktion kindisch war– etwas, das Marie an den meisten anderen Mädchen in ihrem Alter nicht ausstehen konnte. Sie wusste, sie hätte ihrer Mutter von dem Anfall erzählen müssen, selbst wenn sie ihr den Streit mit Theresa verschwieg. Sie musste einen Termin außer der Reihe bei Dr. Roth machen. Sie musste mit ihrem Therapeuten reden, das hatte sie ihm fest versprochen.
    Aber gerade jetzt wollte Marie einfach nur weinen und sich selbst bemitleiden. Zumindest für eine Weile.
    Sie rollte sich so eng zusammen wie möglich und zog die Bettdecke bis zu ihrer Nasenspitze nach oben. Ein wenig bereute sie es nun doch, ihre Mutter weggeschickt zu haben. Es tat einfach gut, ein wenig den Kopf gestreichelt zu bekommen. Und Karin war ja wirklich niemand, der auf einem Streit über Spülmaschinen beharrte, wenn es ihrer Tochter schlecht ging. Aber an Tagen wie diesem war sie einfach nicht die Person, von der Marie sich streicheln lassen wollte. Sie war nun einmal nicht ihr Vater. Und der würde nicht kommen. Konnte nicht kommen. Nie mehr.
    Nach und nach wich die Schneekälte aus Maries Knochen. Die Wärme beruhigte ihre aufgewühlten Gedanken und machte sie schläfrig. Marie
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