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Als die erste Atombombe fiel

Als die erste Atombombe fiel

Titel: Als die erste Atombombe fiel
Autoren: Ravensburger
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kommen, und lief durch die Haustür. Als ich die Augen wieder öffnete, war es düster und trübe. Dann sah ich meine Großmutter davonlaufen, so schnell sie konnte, mit Keika-chan, meinem jüngeren Bruder, auf dem Rücken. Ich lief mit ihr. Wir gingen zum Luftschutzunterstand. Eine meiner großen Schwestern war schon dort und wir vier drängten uns aneinander. Dann kam noch eine von meinen großen Schwestern hereingelaufen und setzte sich zu uns. Sie arbeitete bei der Mitsuboshi-Bäckerei, sie backte dort Kuchen. Meine Mutter war damals schon krank gewesen und gestorben.
    Mein Vater hatte sich freiwillig zur Arbeit gemeldet und kam zurück, um nach uns zu suchen. Meine älteste Schwester hörte ihn rufen. Sie nahm seine Hand und führte ihn zu unserem Luftschutzunterstand. Der Oberkörper meines Vaters war bis zur Taille mit Brandwunden bedeckt. Meine beiden älteren Schwestern und die anderen Leute erschraken, als sie die Brandwunden sahen. Ein Fremder tat Öl auf die Wunden meines Vaters. In meinem Herzen bedankte ich mich bei ihm.
    Danach gingen wir zu einem Hügel in Fuchu.
    Wir spannten in den Ruinen eines Tempels ein Moskitonetz auf und schliefen dort. Wir lebten eine lange Zeit in Fuchu. Dann kehrten einige Leute in ihre Häuser zurück und wir folgten ihrem Beispiel. Als wir zu Hause ankamen, sahen wir, dass alles Glas zerbrochen war, alle Schränke lagen auf dem Boden, unser Buddha-Altar war umgestürzt, die Schiebewände der Zimmer waren zerstört, die Dachziegel zerbrochen und die Mauern von Rissen durchzogen. Wir räumten alles auf und brachten Vater zu Bett.
    Ungefähr 60 Tage später rief Vater mitten in der Nacht nach Großmutter und sagte, er würde gern eine Süßkartoffel essen. »Gut«, sagte Großmutter und kochte ihm eine.
    »Sie ist fertig«, sagte sie, aber Vater antwortete nicht. Ich berührte ihn, um zu sehen, was mit ihm war. Er fühlte sich kalt an, und ich wusste, dass er gestorben war. Lebt wohl, liebe Mama und lieber Papa!

    (Abb. 3) Diese Zeichnung sowie die Zeichnungen auf den folgenden Seiten stammen von Kindern und Erwachsenen aus Hiroshima und Nagasaki, die ebenfalls von den Strahlen der Atombombe ge­troffen wurden und ihre Erfahrungen auf diese Weise festgehalten haben.

Zu weißen Knochen verbrannt
    Sachiko Habu
Schülerin der 5. Klasse, damals fünf Jahre alt
    Ich war erst fünf, darum kann ich mich nicht mehr so gut erinnern. Aber mein Großvater hat mir viel erzählt, das will ich aufschreiben, zusammen mit einigen Dingen, an die ich selbst mich noch erinnern kann.
    Unser Haus stand in Togiya-cho, ganz in der Nähe, wo die Atombombe fiel, und meine Mutter wurde vor unserem Buddha-Altar, wo sie gebetet hatte, zu weißen Knochen verbrannt. Die sterblichen Überreste meiner Mutter befinden sich jetzt auf dem Friedhof von Nakajima im Friedenspark. Am Sechsten eines jeden Monats gehe ich mit meinem Großvater dorthin, um zu meiner Mutter zu beten. Aber sosehr ich es auch versuche, ich kann mich nicht mehr sehr deutlich an meine Mutter erinnern. Ich sehe nur den Holzpfosten, der ihr Grab markiert, stumm dort stehen. Wenn ich den Holzpfosten sehe, weine ich immer. Vielleicht kann meine Mutter mich sehen und freut sich darüber, wie groß ich inzwischen geworden bin. Großvater sagte, dass sie glücklich war.
    Jedes Mal, wenn ich hingehe, bringe ich ihr hübsche Blumen und ein paar Räucherstäbchen mit. Dann sage ich meiner Mutter Auf Wiedersehen und gehe mit Großvater wieder nach Hause.
    In diesem Jahr ist der 6. August der siebte Todestag meiner Mutter. Großvater sagt immer wieder, dass wir alle zusammen einen richtigen buddhistischen Gedenkgottesdienst für sie abhalten wollen. Sechs Jahre sind schon vergangen seit Mutters Tod. Wenn ich daran denke, dass ich die ganze Zeit nicht mit ihr sprechen konnte, ist es unerträglich, wirklich unerträglich. Wenn ich die Mütter meiner Schulfreundinnen sehe, fühle ich mich auf einmal einsam und möchte am liebsten weinen. Aber ich habe einen sehr lieben Großvater, eine Großmutter, Onkel und Tanten, darum glaube ich, dass ich gut dran bin. Und jeden Tag in der Schule bringt mein netter Lehrer mir neue Sachen bei und ich spiele mit guten Freunden. In der Schule bin ich am glücklichsten.
    Mein Großvater hat bei dem Bombenabwurf Verbrennungen erlitten, und jetzt sieht es so aus, als wären alle seine alten Krankheiten zurückgekehrt, und es geht ihm schlecht. Er ist jetzt 67. Ich möchte, dass Großvater und Großmutter lange leben,
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