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Alphabet der feinen Kueche

Titel: Alphabet der feinen Kueche
Autoren: Hans Gerlach
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kommt die Moral«, sagte Bertold Brecht. Aber als fühlender, aufgeklärter Mensch sollte man sich schon mal fragen, ob das, was man runterschluckt, nicht zu seiner Lebenszeit ein Recht auf ein paar Sekunden Respekt, Zärtlichkeit und Sonnenschein hatte. Sollten wir nicht lieben lernen, was wir uns in den Mund stecken? Man stelle sich den ganzen Akt einmal andersherum vor... »So schön ist dieser Mund nun auch wieder nicht, dass ich von ihm ganz verschlungen werden will.«
    In Hamburg war ich Mitte der Neunziger zum Dinner for four in einem Penthouse for one geladen. Der Gastgeber war seinerzeit schlank, ledig, vermögend. In seiner angelesenen Kochkunst hatte er sich selbst massiven Eitelkeitsattacken ausgeliefert. Der Esstisch aus Palisander mit Elfenbeineinlage war mit weißem KPM-Geschirr gedeckt. Tischschmuck waren weiß-grünliche Frauenschuh-Orchideen. Ein floraler Hinweis auf den einzigen weiblichen Gast, der erwartet wurde. Der kam leicht verspätet. Schön, blond, vermögend, nervös. Der Gastgeber servierte eine Suppe »Crevette in ihrem Algen-Schaumbett, mit einem Hauch Zitronengras« Dann kündigte er die folgenden Gänge an: »... gleich kommt der Lachs auf seiner Haut gebraten mit Zuckerschoten, karamellisiert, dann das Milchlamm, dann...« Die junge Frau unterbrach: »Du, ich bin seit gestern satt. Tut mir leid. Außerdem esse ich nichts mehr, was einen Schatten wirft. Das gilt auch für Gemüse. Hat jemand was dagegen, wenn ich mir eine »Line« lege? Das hab ich zwar schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan, aber jetzt, ich meine, du hast dir Mühe gegeben, aber bei all den Morden, die du aufgezählt hast, wird mir ohne das Pulver einfach jetzt schlecht...«
    Die Essenz dieser Anekdote möchte ich erklären: Ungebremster Hedonismus wirkte schon damals überholt und belastet die Atmosphäre. Reduktion zum Maximum lautet die moderne Devise.
    Ein letzter Grund warum ich dieses Vorwort schreibe? Es geht mir um Luststeigerung durch Vereinfachung und eine neuere Definition von Erotik in der Küche. Im Überangebot dessen, was verdaulich ist oder nur scheint, möchte ich innehalten wie zum Tischgebet. Mores und Moden haben etwas gemeinsam: Sie gehen einem auf die Nerven, wenn alle sie befolgen. Eingeladen wäre ich gern bei jemandem, der seine Küche gelassen und ohne Eitelkeit betritt. Wie ein Bauer, der zum Erntedankfest vor den Altar seiner Kirche tritt. Er hat genommen, er dankt. Er weiß, was er tut.
     
    Ihr Wolfgang Joop
    Potsdam, April 2007

Bedienungsanleitung für den Leser
     
    Kochen bedeutet nicht nur schneiden, brutzeln oder rühren. Genauso wichtig sind die Arbeiten von Produzenten und Händlern, lange bevor ein Lebensmittel den Weg in Ihre Küche findet. Neben den Vorgängen in und um den Kochtopf (die ich in dem Buch „Kochen (fast) ohne Rezept“beschrieben habe) entscheiden die Eigenschaften der Zutaten über den Geschmack des Essens auf Ihrem Teller. Es lohnt sich also herauszufinden, wo zum Beispiel Salat, Balsamessig oder Kalbfleisch herkommen und wie sie entstehen. Die Suche ist spannend, manchmal nicht ganz einfach, aber sie führt immer zu Menschen, die mit großer Begeisterung wunderbare Lebensmittel herstellen - einige Adressen finden Sie im Anhang.
    Die Rezepte funktionieren natürlich sehr gut, wenn Sie sie genau befolgen - sind aber offen gedacht, als Anregungen und Beispiele zu den jeweiligen Texten. Ändern Sie die Rezepte, entwickeln Sie sie weiter. Lassen Sie die Fischsauce weg, wenn Sie keine mögen, und ersetzen Sie Quatre épices durch Piment oder ein anders Gewürz, das Sie besonders schätzen.
    Alles fürs Gelingen Wichtige steht in meinen Rezepten, ob Sie ihre Kräuter waschen oder nicht, können Sie gerne selber entscheiden.
    Die Rezepte sind für 4 Personen gedacht, es sei denn es ist anders angegeben. Dabei sind die Mengen für einen Hauptgang größer als die für eine Vorspeise - wenn Sie eine Vorspeise also als Hauptgang servieren, dann sollten Sie die Mengen etwas erhöhen.

A ltbier
    Die Hure sprach: »Iss das Brot, Enkidu, das gehört zum Leben! Trink das Bier, wie’s Brauch ist im Lande!« Es war ein Altbier, das Enkidu im Gilgamesch-Epos vom Naturwesen zum Menschen und zum Gefährten des Zweidrittelgottes Gilgamesch machte. Denn Altbier bedeutet vor allem: Bier nach alter Brauart.
    Bevor Carl von Linde 1873 den Kühlschrank erfand, gab es fast nur obergärige Biere. Hefen, die in ungekühlten Kellern bei Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad Celsius am
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