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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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mit dem allgemeinen Gequassel zu einem akustischen Brei, der einen spontan wünschen ließ, ohne Ohren auf diese Welt gekommen zu sein. Einige Leute machten sich während des Telefonats über einen Teller Pommes her, andere starrten mit glasigem Blick auf die Videoclips, die auf den an der Decke angebrachten Bildschirmen flimmerten.

    Ich wollte kehrtmachen, aber dann entdeckte ich Laura. Sie trug ein enges rotes Top mit Spaghettiträgern, ihre Jacke, ebenfalls rot, doch etwas dunkler, hatte sie abgelegt und über ihre Stuhllehne gehängt. Mir fielen ihre weißen Schultern auf, die in einem aufregenden Kontrast zum sinnlichen Rot ihrer Kleidung standen. Und ich fragte mich, wie ich die schier endlos lange Zeit meines bisherigen Lebens hatte verbringen können, ohne auch nur die geringste Ahnung von der Existenz solch ebenmäßig weißer Schultern zu haben. Eine Erkenntnis, die mich mit Ehrfurcht erfüllte und das Ambiente des Raums schlagartig veränderte: Lauras Erscheinung machte dieses Fresslokal, das weniger Flair als ein drittklassiger Discounter hatte, zu einer Kathedrale erlesenen Geschmacks.

    Ein Lächeln verriet, dass sie mich auch entdeckt hatte, aber sie winkte mir nicht zu, sondern zog ihr Handy hervor und tippte eine Nummer auf der Tastatur. In meiner Hosentasche klingelte es. Ich stellte die Verbindung her.

    »Hi«, sagte sie. »Ich habe doch gesagt, wir können ungestört reden.«

    »Was soll das? Warum telefonieren wir?«

    »Das ist doch der Sinn der Sache.«

    »Der Sinn welcher Sache?«

    »Wir telefonieren, weil dies das Handycap ist.«

    Ich sah mich um. Tatsächlich, da war wirklich niemand, der es nicht tat. Ob die Gäste an der Bar hockten, an Einzeltischen vor sich hin dösten oder zu zweit oder viert einander gegenübersaßen − da war keiner, der nicht eins dieser Dinger an sein Ohr presste. »Sie wollen sagen, hier herrscht Telefonpflicht?«

    »Rauchverbot und Telefonpflicht.« Laura sah mich ungläubig an. »Sie kannten das wirklich noch nicht?«

    »Doch, doch«, grinste ich. »Gerade letzte Woche war ich hier mit meinem Anrufbeantworter verabredet.«

    »In den USA gibt es schon Hunderte Mobile Inns. Heh, seien Sie locker und lassen Sie sich drauf ein.«

    Ich hatte nicht die geringste Lust, locker zu sein. Aber so wie es aussah, konnte ich meine Chancen bei dieser Frau vergessen, wenn ich es nicht war. Also setzte ich mich zu ihr und telefonierte.

    »Manche Paartherapeuten«, plapperte Laura begeistert, »empfehlen ihren Klienten, ins Handycap zu gehen und sich dort auszusprechen.« Mit der linken Hand angelte sie sich eine Pommes von ihrem Teller, wälzte sie in Ketchup und steckte sie in den Mund.

    »Um hier satt zu werden«, scherzte ich, »genügen wohl auch Attrappen, was?« Ich winkte der Bedienung, einem Typ mit Pferdeschwanz, Kinnbart und Jeans, die um die Oberschenkel baumelte. Doch der Typ telefonierte und hatte offenbar seine Augenfunktion deaktiviert. »Also, was wollten Sie mit mir besprechen?«

    »Mein Vater. Gestern habe ich versucht, ihn festzunageln, so wie Sie mir geraten haben. Du hast Fricke, meinen Chef, umgebracht, habe ich gesagt. Nur weil es dir nicht passt, dass ich für ihn arbeite. Und das stimmte ja wohl auch.«

    »Wie hat er reagiert?«

    »Auf seine typische Art und Weise.« Laura warf eine der rot besudelten Pommes auf ihren Teller zurück und zerquetschte sie mit ihrer Gabel auf eine brutale und gleichzeitig genüssliche Weise. »Ich solle nicht von Dingen reden, von denen ich nichts verstehe, meinte er. Als wäre ich ein kleines Kind! Ich bin es satt, mich von ihm wie ein Kind behandeln zu lassen, wird er das denn niemals begreifen?«

    »Eines Tages wird er es tun«, beschwichtigte ich sie. »Was wollten Sie denn von mir wissen?«

    »Wie ich ihn als Mörder festnageln kann.«

    »Ganz einfach: Sie brauchen etwas, das man in Fachkreisen als Beweis bezeichnet.«

    »Er hat mich auf mein Zimmer geschickt, aber ich habe ihm gesagt, dass die Zeiten vorbei sind, da er mich auf mein Zimmer schicken konnte. Also habe ich Hauptkommissarin Schweikert angerufen.«

    »Gute Idee.«

    »Aber die ist noch schlimmer. Wie ich denn darauf kommen würde, dass Herr Wallenstein der Mörder sei. Nur weil er immer für seine Karriere gelebt und sich nie um mich gekümmert habe, sei er noch lange kein Mörder.«

    »Damit hat sie recht«, gab ich zu.

    Ein tödlicher Blick zuckte aus ihren Augen in meine Richtung, ich konnte mich im letzten Moment ducken. Ihre
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