Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
Autoren: Anne Enright
Vom Netzwerk:
dass er sich irgendwo in der Karibik einen anständigen Hut kaufen und anstelle der Kappe tragen würde.
    »Es wimmelt dort nur so von Läden«, hatte sie gesagt und in die Broschüre geschaut. »Ich meine nicht, in der Karibik, ich meine, auf dem Schiff gibt’s überall Läden. Was hast du denn sonst noch vor?«, fragte sie. »Sieh mal!«
    Ihr Vater sah hin – er war ein Mann, der Läden um jeden Preis mied. Aber es gab ja nicht nur Läden: Auf
dem Schiff gab es eine Kunsteisbahn, eine Kletterwand sowie auf dem Oberdeck eine Art Perpetuummobile-Welle, auf der man die ganze Nacht hindurch surfen konnte.
    »Was hast du denn sonst noch vor?«, fragte Kate erneut und dachte, dass es vermutlich auch Kartenspielclubs, Bingo und sogar Frisiersalons gab.
    »Ja. Sogar die Getränke sind kostenlos«, sagte ihre Mutter und lachte kurz auf. »Die fließen offenbar aus einem Hahn.«
    Kate wusste, dass ihre Mutter nicht zu viel trinken würde, oder zumindest vermutlich nicht. Schlimmstenfalls etwas Pinkfarbenes, in dem ein Schirmchen steckte. Ihre Mutter hatte schon immer die Sonne geliebt – Sonnenschein war für sie Glamour genug. Und ihr Vater mochte es hin und wieder gern romantisch: Dann nahm er schwerfällig ihre Hand und führte sie über den Tanzboden in irgendeinem Hotel.
    Sie würden sich prächtig amüsieren. Für sie war es eine große Unternehmung. Obwohl man zugeben muss, dass sie auf der Straße zum Flughafen nicht ganz auf der Höhe waren. Kate musste auf der Standspur anhalten, damit ihr Vater im Kofferraum nachsehen konnte, ob er seine Pillen eingepackt hatte, während das halbe Land an ihnen vorbeiraste.
    »Wer braucht schon Tabletten«, rief Kate ihrer Mutter durch den Verkehrslärm zu, »wenn wir ihn von einem Sattelschlepper über den Haufen fahren lassen können?« Sofort stellten sich Schuldgefühle ein. Obwohl der Gedanke sie auch erheiterte.

    »Steig ein! Steig ein, du Idiot. Und leg den Sicherheitsgurt an!«
    So brachte sie sie zum Flughafen. Sie schleppte die Koffer, die Klarsichtbeutel mit den Toilettenartikeln und die alte Tüte aus dem Supermarkt mit den Pantoffeln und den Flugsocken, die ihr Vater im Flugzeug tragen wollte – und dann gingen sie durch das Abfluggate und waren verschwunden.
     
    Sie schickten ein paar elektronische Postkarten, die sie mühsam auf einer Tastatur im Internetcafé des Schiffes mit Text gefüllt hatten. »St. Maarten schön! Hoffen alle wohlauf!« Eines Abends erschien auf der Website, auf der sich immer Kates Jüngster, Jimmy, tummelte und alberne Botschaften an andere Neunjährige schickte, die vor ihren langsam ladenden Webcams hockten, ein Bild vom Gesicht ihrer Mutter – oder träumte er etwa?
    »Da ist ja Oma!«, sagte er.
    »Was?«
    Kate ging ins Wohnzimmer hinüber, um sich das Foto anzusehen, und tatsächlich, in einer Ecke des Bildschirms stieg das Gesicht ihrer Mutter auf, blau und stumm.
    »Du meine Güte!«, rief sie aus, als das Bild wackelte und gefror.
    Es sah aus wie aus einem Science-Fiction-Film. Eine Botschaft von einem anderen Stern, die vor vielen Jahren abgeschickt worden war.
     
    Kaum waren sie abgereist, waren sie auch schon wieder zu Hause. Kate sah auf dem Kalender nach, um die
Daten zu überprüfen, aber tatsächlich schien es so, als hätte eine Woche auf einem Kreuzfahrtschiff genauso viele Tage und Nächte wie eine Woche in ihrer Küche.
    An dem Abend, als sie ankamen, holte sie sie ab. Die Sonnenbräune ließ sie jünger aussehen, aber – vielleicht lag’s ja am Jetlag – sie wirkten müde. Pflichtschuldig erzählten sie von den Inseln – von der Größe der Spinnen, von den Palmen und dem Mantarochen, den sie von der Hafenmole eines Ortes namens Labadee aus gesehen hatten -, schienen von der Welt jedoch leicht enttäuscht zu sein, nun da sie sich so mühelos erkunden ließ. Ihre Mutter war sehr beeindruckt von der Wärme und der endlosen Schönheit des Meeres, dabei war ihnen, wie sie erklärte, bei Landgang gar nicht viel Zeit geblieben, schwimmen zu gehen. Außerdem habe es an Bord Sprudelbäder und so weiter gegeben. Das Aufregendste sei das Schiff selbst gewesen.
    »Erstaunlich«, sagte ihr Vater.
    Sie seien überhaupt nicht seekrank gewesen, erzählte ihre Mutter, außer einmal, am zweiten Tag. Das Schiff sei riesig gewesen, wie ein Einkaufszentrum, nur dass man wusste, man bewegt sich fort, man spürt es einfach.
    »Dann steigt man aus«, ergänzte ihr Vater, »und steht auf festem Boden. Richtig dumpf«, sagte er.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher