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Alles Sense

Alles Sense

Titel: Alles Sense
Autoren: Terry Pratchett
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enormen Willenskraft ebensowenig Widerstand leisten wie eine kranke Mücke einer Lötlampe.
    Die Tür der Kapelle war abgeschlossen, doch Windle stellte fest, daß schon geringfügiger Druck genügte, um das Schloß aus dem Holz zu lösen. Seine Finger hinterließen Dellen im Metall der Klinke.
    »Meine Güte«, sagte er.
    Er wankte durch den Korridor. Fernes Klappern von Geschirr und murmelnde Stimmen wiesen darauf hin, daß in der Universität gerade eine der vier täglichen Mahlzeiten stattfand.
    Windle fragte sich, ob Tote essen durften. Wahrscheinlich nicht, befürchtete er.
    Konnte er überhaupt essen? An Appetit mangelte es ihm nicht, aber… Nun, er wußte, worauf es beim Denken ankam, und das Gehen erforderte nur die Stimulierung einiger bestimmter Nerven. Doch wie funktionierte der Magen?
    Windle begann zu ahnen, daß die Funktionen des menschlichen Körpers nicht vom Gehirn gesteuert werden, auch wenn es sich für den Boß hält. Für die Routinearbeit waren Dutzende von automatischen Systemen zuständig, und von ihrem Vorhandensein merkte man erst etwas, wenn es irgendwo einen Störfall gab.
    Der alte Zauberer beobachtete sich aus der Zentrale des Schädels. Er sah zur stillen chemischen Fabrik der Leber und fühlte dabei das gleiche Unbehagen wie ein Kanu-Bauer, der die Instrumentenanzeigen eines vollautomatischen Supertankers betrachtet. Die Geheimnisse der Nieren erwarteten von ihm renale Kontrolle. Was hatte es eigentlich mit der Milz auf sich? Welchen Zweck erfüllte sie? Und wie sorgte man dafür, daß sie ihn erfüllte?
    Das Herz wurde ihm schwer.
    Das heißt: Es rührte sich überhaupt nicht.
    »Oh, bei den Göttern «, brummte Windle und lehnte sich an die Wand. Wie ging man dabei vor? Mit psychischen Händen zupfte er an einigen vielversprechend wirkenden Nerven. Systolisch… diastolisch… systolisch… diastolisch… ? Und außerdem die Lungen.
    Windle Poons setzte sich wieder in Bewegung und stapfte durch den Flur. Man konnte ihn mit einem Jongleur vergleichen, der versucht, achtzehn Teller gleichzeitig in der Luft zu halten. Oder mit jemand, der seinen neuen Videorecorder programmieren möchte und dabei auf ein Handbuch angewiesen ist, das von einem koreanischen Reisbauern aus dem Japanischen ins Niederländische übersetzt wurde. Windle lernte nun die wahre Bedeutung des Ausdrucks »Selbstbeherrschung« kennen.
     
    Die Zauberer der Unsichtbaren Universität legten großen Wert auf üppige Mahlzeiten. Konnte man denn auch von jemandem anständige Magie erwarten, wenn er vorher nicht Gelegenheit bekam, folgende Dinge zu kosten: Suppe, Fisch, Wildbret, einige Teller mit Braten, die eine oder andere Pastete, etwas Großes und Schwabbeliges mit Sahne drauf, kleine Leckereien auf Toastscheiben, Obst, Nüsse sowie Kaffee und Pfefferminz? Angeblich tat das der Magenschleimhaut gut. Darüber hinaus wurden die Zauberer nicht müde zu betonen, wie wichtig es sei, daß man derartige Mahlzeiten regelmäßig servierte. Sie meinten, es gäbe dem Tag Form und Gestalt.
    Der Quästor teilte diese Ansicht nicht. Er aß nur wenig und litt ständig an überreizten Nerven. Seiner Meinung nach bestand kaum ein Zweifel daran, daß er an Magersucht litt, denn immer wenn er in den Spiegel blickte, sah er einen übergewichtigen Mann – den Erzkanzler, der hinter ihm stand und brüllte.
    Er hatte das Pech, der Tür gegenüberzusitzen, als Windle Poons das Portal einfach in den Speisesaal stieß – das war einfacher, als mit der Klinke zu hantieren.
    Der Quästor zerbiß seinen hölzernen Löffel.
    Die Zauberer drehten sich um und staunten.
    Poons schwankte einige Sekunden lang und unterwarf Stimmbänder, Lippen und Zunge seinem Willen. »Vielleicht kann ich den Magen dazu bringen, Alkohol zu verarbeiten.«
    Der Erzkanzler erholte sich als erster von der Überraschung.
    »Windle!« entfuhr es ihm. »Wir haben dich für tot gehalten!«
    Er mußte zugeben, daß es dieser Bemerkung an Originalität mangelte. Man legte niemanden mit Kerzen und Lilien auf eine Steinplatte, nur weil er an Kopfschmerzen litt und etwas ausruhen mußte.
    Windle trat einige Schritte vor. Die nächsten Zauberer kletterten übereinander hinweg, um seine Nähe zu meiden.
    »Ich bin tot, du junger Narr«, brummte Poons. »Glaubst du etwa, daß ich immer so aussehe? Ist das zu fassen…« Er starrte zu den Magiern. »Weiß zufällig jemand, wozu die Milz dient?«
    Er erreichte den Tisch, und irgendwie gelang es ihm, Platz zu nehmen.
    »Hat
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