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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Autoren: Colin Beavan
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stellen, anstatt vor den Hindernissen zurückzuweichen.
    Diese modernen Umweltschützer vertrauen bei der Umsetzung ihrer Ziele auf die Technologie, auf Solarpaneele und Elektroautos und andere ressourcenschonende Erfindungen. Diese neue Technik ist cool und attraktiv für diejunge Szene und schafft Arbeitsplätze. Vor allem jedoch bietet sie, da die Philosophie des freiwilligen Verzichts für einen Großteil der Menschheit mangels Masse schlicht nicht anwendbar ist, Möglichkeiten, die Wirtschaft überall auf der Welt auf nachhaltige Weise zu fördern.
    Damit haben diese modernen, zupackenden, »nach vorn blickenden« Umweltschützer vollkommen Recht. Visionen, Ziele und die Aussicht auf ein besseres Leben – statt Verzicht und Askese – sind ein ganz zentraler Punkt, genau wie die Entwicklung neuer Technologien. Aber ich glaube, das ist noch nicht die ganze Antwort.
    Denn erstens müssten die Vereinigten Staaten, um das zu erreichen, was wissenschaftlich notwendig wäre, um die Erde vor der Klimakatastrophe zu bewahren, ihren CO2-Ausstoß um mindestens 95 Prozent senken (einige Wissenschaftler sprechen mittlerweile sogar von 100 Prozent). Anders gesagt: Wir müssten mit derselben Energie dasselbe Ergebnis erzielen, dürften dabei aber nur ein Zwanzigstel der bisherigen Umweltschäden anrichten. Das ist, als würde man dem Besitzer einer Saftfabrik sagen, er müsse jetzt genauso viel Saft aus einer Orange bekommen, wie er bisher aus zwanzig bekommen hat. Er kann sich saftigere Orangen besorgen und bessere Entsaftungsmaschinen, aber die zwanzigfache Menge an Saft aus einer einzigen Orange? Bessere Technologien allein werden vermutlich nicht ausreichen. Wir werden auch unseren Lebensstil ändern müssen.
    Zweitens schaffen wir, wenn wir uns allein auf neue Technologien verlassen, möglicherweise einen ganzen Haufen neuer Umweltprobleme, wie es bei den Biotreibstoffen passiert ist. Dasselbe gilt, wenn wir bespielsweise weiter Atomenergie einsetzen. Was machen wir mit dem Abfall?
    Drittens entgehen uns, wenn wir uns nur auf die Technologie verlassen, die gewaltigen Möglichkeiten zur Veränderung und Verbesserung unseres Lebensstils, die diese Krise uns bietet. Wenn wir Elektroautos entwickeln, stecken wir immer noch im Stau. Wenn wir weiter Vorstädte bauen,selbst wenn sie zu hundert Prozent aus recyceltem Material bestehen, werden wir immer noch isoliert und einsam sein. Wenn wir immer weiter an der Verbesserung der Handys arbeiten, werden unsere klügsten Köpfe zu beschäftigt sein, um sich zu überlegen, wie man sauberes Trinkwasser zu den zahllosen Menschen bringt, die keines haben. Anders ausgedrückt: Wenn wir die Technologie dazu benutzen, das bestehende System so zu überarbeiten, dass es ewig fortbestehen kann, verpassen wir die Chance, uns zu fragen, ob das bestehende System wirklich das richtige für uns ist. Wir verpassen die Chance, nicht nur den Planeten zu retten, sondern auch die Menschen darauf glücklicher zu machen.
    Zwei Jobs zu haben, um sich statt der benzinfressenden Variante ein Elektroauto kaufen zu können, ist besser, aber es bedeutet immer noch, zwei Jobs zu haben. In einer Wirtschaft, die auf dem Prinzip basiert, möglichst vielen Leuten möglichst viele Dinge zu verkaufen, sind Bildung und Gesundheitswesen immer noch zweitrangig. Was wäre, wenn wir unsere Wirtschaft so veränderten, dass sie die Folgekosten von Autoabgasen und Giftmüll einbezieht? Wenn wir nicht mehr das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab unseres Wohlergehens ansetzen würden, sondern ein bestimmtes Maß an Lebensqualität? Wenn wir unsere Wirtschaft an den wichtigsten Elementen eines guten Lebens ausrichteten statt am Durchsatz von Material und Energie? Denn wenn die Umwelt- und Wirtschaftskrise, mit der wir uns derzeit herumschlagen, irgendetwas anzeigt, dann doch wohl, dass unser bisheriges System so nicht mehr funktioniert.
    Die neuen Umweltschützer haben recht – wir müssen aufgeschlossen und visionär sein. Und wir müssen in die Entwicklung erneuerbarer Energien und nachhaltiger Technologien investieren. Aber Technologie mit Fortschritt gleichzusetzen, ist eine 200 Jahre alte Idee. Nicht besonders visionär. Und auch nicht sonderlich fortschrittlich. Nein, wir müssen herausfinden, was gutes Leben wirklich ist, und dann unsere sozialen und technischen Systeme darauf abstimmen.Manche Leute nennen das soziotechnisches Design.
    Womit wir wieder bei den Fragen nach dem Sinn des Lebens wären. Wenn wir
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