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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hatte, um den Staub in seinen Taschen aufzuheben, den sie bei der Begrüßung in seiner Hand hinterlassen hatte.
    Nicht nur sie, übrigens. Auch ihre Kinder. »Ihre«, da konnte sie sich noch so sehr wehren, sie kamen bei aller Unterschiedlichkeit alle nach ihr. Waren absolut und wunderbar sparky .
    Er hatte zunächst gedacht, er wäre zu beeindruckt oder zu ergrif fen, um so mit ihr zu schlafen, wie er sie in seinen Träumen geküsst hatte, aber da waren ihre Liebkosungen, ihre Geständnisse, ihre Worte gewesen. Die Segnungen der Flasche mit ihrer Note nach Honig, Zitrusfrüchten, ihnen beiden ...
     
    Sein Leben, seine Geschichte, er hatte sich mit Haut und Haaren ausgeliefert und sie entsprechend geliebt. Aufrichtig, chronologisch. Zunächst als ungeschickter Jugendlicher, dann als gewissenhafter Student, dann als junger ehrgeiziger Architekt, dann als findiger Ingenieur und schließlich, was das Beste war, als ein Mann von siebenundvierzig Jahren, ausgeruht, geschoren, glücklich, an einem hochgesteckten Ziel angekommen, das er nicht mehr angepeilt hatte, auf das er nicht einmal mehr gehofft hatte, und mit keiner anderen Fahne, die er in die Erde rammen konnte, als diesen tausend Küssen, die in ihrer Abfolge die präziseste Ausstechform bildeten.
    Ihr Körper. Zum Zerbröseln. Zum Anknabbern. Zum Verschlingen. Wie sie es wünschte.
     
    Er spürte, wie ihre Hand nach seiner suchte, schloss sein Heft und prüfte noch einmal, ob er sich nicht in der Perspektive vertan hatte.
     
    »Kate?«
    Er hatte die Tür geöffnet.
    »Ja?«
    »Sie sind alle da.«
    »Wer?«
    »Deine Hunde –«
    »Bloody Hell.«
    »Auch das Lama.«
    »Ooooh«, stöhnte die Bettdecke.
     
    »Charles?«, erklang es in seinem Rücken.
    Er saß im Gras. Knabberte an einem Pfirsich von der Farbe des Himmels.
    »Ja?«
    »So wird es immer sein, weißt du?«
    »Nein. Besser noch.«
    »Wir werden nie in Ruh...«
    Den Satz konnte sie nicht beenden. Knabberte an einem Mund mit Pfirsichgeschmack.

12
    Und? Hast du ein vierblättriges Kleeblatt gefunden?«
    »Warum fragst du?«
    »Nur so«, kicherte Mathilde.
    Sie hatte sich auf der Fensterbank niedergelassen. »Sieht so aus, als müssten wir morgen los.«
    » Ich muss zurück, aber du kannst noch ein paar Tage bleiben, wenn du willst. Kate könnte dich zum Bahnhof bringen.«
    »Nein. Ich komme mit.«
    »Und du – hast deine Meinung nicht geändert?«
    »Welche Meinung?«
    »In Sachen Sorgerecht und Wohnrecht.«
    »Nein. Das klappt schon. Ich passe mich an. Ich denke, mein Vater wird auf der Strecke bleiben, aber na ja, ich bin nicht mal sicher, ob er es merkt. Und mit Mama, das wird uns nur guttun.«
     
    Charles ließ seine Papiere einen Augenblick Papiere sein und wandte sich ihr zu: »Ich weiß nie, wann du es ernst meinst und wann du einen auf supercool machst. Ich habe den Eindruck, dass du im Moment ganz schön was einstecken musst, und deine Fröhlichkeit kommt mir sehr verdächtig vor.«
    »Was soll ich denn machen?«
    »Keine Ahnung. Du könntest sauer auf uns sein.«
    »Aber ich bin stocksauer, das kannst du mir glauben! Ich finde euch beschissen, egoistisch, enttäuschend. Erwachsen halt. Außerdem bin ich supereifersüchtig. Jetzt hast du außer mir noch ganz viele andere Kinder und verkrümelst dich bestimmt ständig hierher. Nur, es gibt leider Sachen im Leben, die kann man nicht downloaden – «
    »Und dass Sam mitkommt, stört dich das?«
    »Nee. Der ist cool. Und außerdem bin ich gespannt darauf, wie sich der Typ im Schulhof Henri IV macht.«
    »Und wenn es nicht gut läuft?«
    »Tja, dann kannst du dir einen Kopf machen und dir die paar Haare raufen, die du noch hast.«
    Hi hi hi.
     
    Die ganze Truppe kam bis zum Entwerter mit, und Kate brauchte sich diesmal nicht vorm Abschied zu verziehen: Er käme nächste Woche wieder, um seinen Zögling zu holen.
    Er verscheuchte die Kinder, indem er ihnen vor dem Süßwarenautomaten Geld in die Hand drückte, packte seine Geliebte im Nacken und küss...
    »Buuuuuuuhhhh«, ertönte es von allen Seiten, er schloss den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen, aber Kate öffnete ihn wieder und zeigte allen, die ihn vergessen haben sollten, ihren Ring.
    »Ist ja schwach«, meinte Yacine spöttisch, »im Guinness-Buch gibt es Amerikaner, die sich dreißig Stunden und neunundfünfzig Minuten lang am Stück geküsst haben.«
    »Mach dir keine Sorgen, du Kartoffelnase. Wir werden uns noch steigern.«

13
    Charles erregte mit seiner Glatze großes Aufsehen.
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