Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
Otto. Am liebsten würde er aufstehen und ihm eines auf’s Maul geben!
»Na gut«, nickt Gina. »Dann tun wir mal Butter bei die Fische, liebe Familie!«
Das entstehende Schweigen ist kaum auszuhalten. Tom rutscht unbehaglich auf dem Leder herum und füllt sich nervös sein drittes Glas mit Mineralwasser.
Jeder bedenkt jeden mit einem prüfenden Blick.
»Noch mal zum Mitschreiben«, bricht Frank das Schweigen. »Du weißt, warum Ottilie das alles macht?«
»Kannst du es dir nicht denken, Frank?«
Frank verneint. Warum meint Gina, er wisse den Grund? Von einer Sekunde zur anderen steht er im Mittelpunkt des Interesses. Was ist denn nun schon wieder los? Er ist sich keiner Schuld bewusst. Hier gibt es nur einen Schuldigen und der sitzt ihm schräg gegenüber, putzt soeben umständlich seine gottbeschissene Hornbrille, setzt sie wieder auf und greift hinter sich in die Schublade des Sideboards.
»Damit wir eine Sache gleich zu Anfang vom Tisch haben und damit eventuelle Ressentiments, die ich grade aus deinen Worten vernahm, aufhören«, sagt Otto und legt einen Briefumschlag auf den Tisch, wobei der schwarze Stein an seinem Fingerring blitzt. »Na, Frank! Greif zu!«
»Was läuft hier für ein Spiel?”, fragt Frank. Ihm ist unbehaglich zu Mute. Er nimmt mit spitzen Fingern den Briefumschlag und öffnet ihn. »Ein Scheck«, sagt er mit kratziger Stimme.
»So ist es«, nickt Otto. »Ein Scheck über zwanzigtausenddreihundert Mark. Den könnt ihr morgen einlösen und habt sogar noch dreihundert Mark an der BS 202-Police verdient.«
»Aber ...« Frank kriegt den Mund nicht mehr zu. »Wir dachten ...«
»Nicht denken, sondern freuen, mein Lieber«, sagt Otto jovial.
Lotte zieht Luft ein und beugt sich vor. Ihre Hände zittern. Fahrig stellt sie ihr Glas ab, starrt Frank an, der seinen Augen noch immer nicht traut.
Otto lächelt still. »Den Scheck hat mir heute die Berliner Rück gegeben. Damit es schnell geht. Ich sollte ihn euch persönlich aushändigen.«
»Aber ... aber Otto ... du wusstest doch gar nicht, dass wir vorbei kommen«, schüttelt Frank den Kopf. »Wir benötigen das Geld doch gar nicht bar, sondern nur auf dem Papier.«
»Als Sicherheit, ich weiß«, winkt Otto ab. »Mein Anlagetipp für die Zukunft: Ab unters Kopfkissen mit den Scheinchen!«
»Aber das bedeutet ...«, fühlt Frank sich schuldig. Wo liegt der Irrtum? Was geht hier vor sich?
»Halt endlich die Klappe, Otto!« fährt Gina auf und stellt ihr Glas auf den Tisch, dass es scheppert. »Noch so etwas Bescheuertes und ...«
»Na gut, na gut«, fügt sich Otto und blinzelt nervös hinter seinen Brillengläsern. »Selbstverständlich ahnten Gina und ich, warum ihr heute Abend nach Berlin gekommen seid und das sogar mit einem Taxi.«
»Stimmt doch, oder?«, fragt Gina.
»Was?« fragt Lotte.
»Dass ihr mit dem Taxi gekommen seid? Ich habe eines wegfahren hören, bevor es klingelte.«
»Ein teurer Spaß, sag ich dir«, nickt Lotte. »Aber wir dachten ... Frank dachte ...«
»Komm zur Sache Otto«, zischt Gina.
Alle Köpfe drehen sich zu ihm hin.
Otto hebt seine Handflächen. Seine Mundwinkel zeigen nach unten. »Okay. Ich habe den Scheck nicht von der Berliner Rück bekommen.«
»Sondern?«, fragt Lotte, die die Antwort schon längst ahnt.
»Willst du uns zum Narren halten?«, schnappt Frank.
»Nein, will ich nicht. Dafür sitze ich viel zu sehr in der Tinte. Meine geliebte Frau hätte sich von ihrem Dreckskerl scheiden lassen, wenn ich euch das Geld nicht ersetzt hätte. Tja, ihr habt die beste Schwägerin der Welt. Und den miesesten Schwager und Bruder ... so – nun isses raus.« Dann schlägt Otto die Augen nieder und murmelt: »Der Swimmingpool, den wir in diesem Jahr in den Garten bauen wollten, wird wohl noch etwas warten müssen.«
»Er wird euch alles Weitere später erklären«, fügt Gina hinzu und lächelt zufrieden. »Noch etwas Tee? Der ist ganz neu, grüner Tee aus Japan, nicht so stark wie Schwarztee, unfermentiert und viel, viel gesünder.«
»Zwanzigtausend«, flüstert Lotte.
»Und dreihundert Mark«, brummelt Otto. »Die fünftausend, die ihr von der Gesellschaft bekommt, könnt ihr mir ja auf mein Konto überweisen.«
Tom nimmt seine Brille ab und reibt sich die Augen. Sind denn hier alle bekloppt geworden? Vater redet davon, Onkel Otto habe ihn betrogen, dieser gibt das auch zu und ersetzt den Schaden und alle sitzen hier rum wie die Ölgötzen, wie versteinert und starren sich an, als würden sie
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