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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman
Autoren: Ursula Schroeder
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wieder abholen?«
    »Kommt gar nicht in Frage!«, röhrte Herbert. »Wenndu schon mal hier bist, dann bleib auch. Das wird uns schon nicht umbringen.«
    Auch Bernhard, der derzeitige Ortspräsident, war der Meinung. Er begrüßte uns als Nächstes und wurde sofort mit der ungeplanten Situation konfrontiert. »Natürlich bleibst du!«, befand er. »Heute referiert Freund Büdenweis aus Dortmund über Schmetterlinge in Mitteleuropa, das gefällt dir doch sicher auch.«
    Schmetterlinge in Mitteleuropa? Das war ein Thema, mit dem sich erwachsene Männer in ihrer Freizeit freiwillig beschäftigten? Ich sah Henning an. »Was meinst du?«
    Er war etwas schuldbewusst, aber nicht völlig aus der Bahn geworfen. »Bleib ruhig hier«, sagte er. »Dann sehen wir schon mal, wie es sein könnte, wenn wir uns eines Tages doch noch dazu entschließen, Frauen aufzunehmen.« Wobei ich vermutlich die letzte Frau sein würde, der diese zweifelhafte Ehre zuteil würde. Grundsätzlich schmückte sich der Club lieber mit erfolgreichen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Handel und Politik. Und in diese Kategorie gehörte ich nun mal gar nicht.
    »Was machen die denn dann in der Küche?«, überlegte ich. »Dann gibt es sicher immer Mischgemüse.«
    Bernhard nahm galant meinen Arm. »Gestatte mir bitte, dich an den Präsidententisch einzuladen«, sagte er. »Wenn wir schon eine Dame zu Gast haben, dann gebührt mir ja wohl dieses Privileg.«
    Am Präsidententisch trafen wir hinter einer großen Glocke und einem noch größeren Sparschwein auch die anderen Privilegierten: Knut, den Protokollführer, der bereits mehrere wichtig aussehende Unterlagen um sich herum verstreut hatte, Hanno, den Schatzmeister, und Freund Büdenweis, den Referenten des heutigen Abends. Er hatte einen Diaprojektor von vermutlich antiquarischem Wert und einige graue Diamagazine mitgebrachtsowie mehrere großformatige Bildbände, so dass der Tisch inzwischen so voll war, dass wir unser Herrenmenü wohl auf den Knien würden essen müssen.
    Natürlich waren alle anwesenden Herren höchst überrascht, mich hier zu sehen, und nach der zehnten Erklärung dazu war auch Henning etwas erschöpft. Aber da musste er jetzt durch, genau wie ich als Erstes durch die langwierigen Regularien musste. Es gab vieles bekannt zu geben, und wenn die Herren zwischendurch anfingen zu quatschen wie eine gelangweilte Schulklasse in der sechsten Stunde, dann haute Bernhard unbarmherzig auf die Glocke. Ich hoffte inständig, diesen Abend ohne Tinnitus zu überstehen.
    Besondere Mühe hatte der Präsident bei dem Versuch, einen Clubfreund zu finden, der ihn am Montag um zehn zu einer Spendenübergabe in den Kindergarten der Antoniuskirche begleitete, bei der auch die Presse anwesend wäre. Alle Angesprochenen schützten dringende berufliche Verpflichtungen vor, und selbst Freund Schmidt, der diesen Vorwand als Pensionär nicht mehr geltend machen konnte, lehnte wegen eines Arzttermins ab. Frustriert setzte sich Bernhard wieder, weil jetzt das Essen kam, aber nicht ohne noch einen Versuch bei Henning zu machen. »Du kannst wirklich nicht? Hör mal, das dauert höchstens zehn Minuten!«
    »Tut mir leid«, sagte Henning schulterzuckend, »aber an dem Tag fliege ich nach Hongkong.«
    »Da hast du ja fast das Gleiche«, scherzte Knut. »Lauter kleine Menschen, die drängeln, unverständliches Zeug reden und Geld von dir wollen.«
    »Stimmt, ich komme nur nicht in die Zeitung«, sagte Henning.
    »Warum gehst du denn nicht allein dahin?«, fragte ich Bernhard. »So schlimm kann das doch nicht sein.«
    »Das glaubst du!«, stöhnte er. »Ich hab das schon einmal mitgemacht. Die Kinder haben alle Angst vor mir.« Das konnte ich mir sogar vorstellen, denn Bernhard ist zum einen ziemlich groß und schwer, und zum anderen sieht er ziemlich streng aus. Zufällig weiß ich genau, dass er ab und zu lacht, aber wenn man ihn das erste Mal trifft, kann man das kaum glauben.
    »Aber vielleicht könntest du ja mitkommen?«, sagte er jetzt zu mir. »Du hast doch sicher am Montagvormittag Zeit, vor allem, wenn dein Mann auf Reisen ist.«
    Ich versuchte gar nicht erst, Arzttermine oder sonstige Verabredungen vorzuschieben, aber ich sah ganz andere Einwände. »Ich bin doch gar kein Mitglied in eurem Club.«
    »Aber dein Mann«, meinte Bernhard. »Außerdem interessiert das keinen. Es geht nur darum, dass wir dem Kindergarten die neuen Möbel spendieren, damit endlich das interne Gejammer aufhört, wir würden keine
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