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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman
Autoren: Ursula Schroeder
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irgendeinem Grund trägt er den besonders gern zu speziellen Clubmeetings. Vielleicht, weil die Goldnadel im Revers darauf so gut zur Geltung kommt.
    Ich stand dagegen längere Zeit etwas unentschieden vor dem Kleiderschrank. Gern hätte ich das dunkelrote Jäckchenkleid angezogen, weil das so hervorragend zu den Schuhen passte, die ich bereits an den Füßen hatte, aber leider war es etwas zu warm für das sommerliche Wetter. Den klimatischen Bedingungen kam wiederum das mittelblaue Kleid entgegen, was mir aber mit den Schuhen nicht gefiel.
    »Nun zieh schon das mit dem Ausschnitt an«, drängte Henning mit einem Blick auf die Uhr. »Wenn dieser Distriktfuzzi wieder so unverschämt auf deinen Busen starrt, dann beschwere ich mich beim Weltpräsidenten.«
    »Als ob den das interessieren würde«, murmelte ich und zog das besagte Kleid hervor. Dass es nicht gebügelt werden musste, sprach eindeutig dafür. Wenn ich jetzt noch anfangen würde, meinen Leinenanzug aufzubügeln, dann würde mein Mann einen Salto schlagen.
    »Uns und unsere Freunde interessiert aus Prinzip alles«, erklärte er mir und betrachtete wohlgefällig, wieich jetzt meine Hausfrauenkluft (bestehend aus Jeansrock und T-Shirt ) ablegte, um in das Kleid zu steigen. Immerhin. Nach all diesen Jahren war das schmeichelhaft.
    »Alles?«, wiederholte ich, während ich das Kleid hochzog und meine Weichteile an den dafür vorgesehenen Stellen verstaute.
    »Alles!«, versicherte er und zog mir den Reißverschluss zu. Er bekräftigte seine Aussage, indem er mit seiner Hand noch über die Kontur meines Hinterns strich. »Ich glaube, es gibt kein Thema auf der Welt, über das nicht in irgendeinem Meeting mal ein Vortrag gehalten worden ist.«
    »Allerhand«, sagte ich und sah uns zusammen im Spiegel an. Wir waren kein übles Paar, dachte ich, auch wenn wir nicht mehr die Jüngsten waren. In diesem Kleid hatte ich eine ganz anständige Figur, und Henning hinter mir, leicht gebräunt und mit silbrigen Spuren in seinem dunklen Haar, hatte sich ebenfalls gut gehalten, auch wenn er sich manchmal über einen leichten Bauchansatz beklagte, den man aber jetzt nicht erkennen konnte.
    »Wir sind immer sehr interessiert«, sagte er. Seine Hand glitt über meine Hüfte.
    »Und dabei so zielstrebig«, sagte ich, während er das Kleid hochschob, bis er den Saum erreicht hatte.
    »Genau!«, sagte er, ließ das Kleid los und sah auf die Uhr. »Können wir? Wir wollen doch den Distriktpräsidenten nicht warten lassen.«
     
    Als ich mit meinen Pumps über den Granitboden des Clublokals klackerte, kam die Chefin persönlich herbeigeeilt und sah etwas überrascht aus. »Sie sind heute auch dabei?«, fragte sie irritiert. »Es wurde gar kein Damenmenü bestellt.« »Das ist doch nicht schlimm«, beruhigte ich sie. »Ich esse auch das Herrenmenü. Legen Sie einfach ein paar Koteletts weniger auf meinen Teller.«
    Sie verschwand, ohne sich ein Grinsen abzuringen. »Was hat es denn mit diesem Damenmenü auf sich?«, fragte ich Henning.
    »Keine Ahnung«, sagte er. »Vielleicht lassen sie da das Viagra zum Schluss weg.« Er ließ mich in den kleinen Saal vorgehen, wo bereits mehrere Herren mit Pilsgläsern herumstanden. Frauen waren noch keine da.
    »Ich glaube, der neue Distriktpräsident ist noch schlimmer«, raunte ich Henning zu. »Die anderen Damen haben sie schon in Sicherheit gebracht. Die kriegen sicher gerade eine Burka übergestülpt.«
    »Ich weiß nicht   …«, murmelte mein Mann mit etwas besorgtem Gesichtsausdruck.
    Sein Freund Herbert drehte sich zu uns um. »Nanu?«, röhrte er auf seine gewohnt polterige Art und kam näher, um uns zu begrüßen. »Wolltest du sichergehen, dass dein Mann auch wirklich beim Meeting ankommt, Marie?«
    »Ich wollte sehen, was der neue Distriktpräsident für einer ist«, sagte ich und gab ihm vorsichtig die Hand. Bevor er sie drücken konnte, drehte ich rasch meinen Ringstein nach innen, weil das dann beim Quetschen nicht ganz so wehtat.
    Jetzt war Herbert überrascht. »Aber der war doch vorige Woche hier!«, sagte er. Und mit vorwurfsvollem Blick auf Henning: »Da war dein Gatte allerdings nicht im Lande.«
    Empört sah ich Henning an. Er hatte doch tatsächlich die Termine durcheinandergeworfen und mich heute zu einer Veranstaltung mitgeschleppt, zu der gar keine Frauen erwartet wurden! »Tja«, sagte ich mit mühsam aufrechterhaltener Fassung, »dann bin ich hier ja wohl überflüssig. Soll ich das Auto mitnehmen und dich hinterher
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