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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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einmal nachsehen. Mir kommt ja inzwischen alles in den Dreißigern blutjung vor.» Lord Smith lächelt und zeigt ein langes Pferdegebiss. Nelson muss daran denken, dass er Rennpferde trainiert.
    «Wie lange arbeitete Mr. Topham schon für Sie?»
    «Etwa fünf Jahre. Ein ganz famoser Junge. Sehr begeisterungsfähig.»
    «Keine gesundheitlichen Probleme?»
    «Nicht, dass ich wüsste.»
    «Hatte er sonst irgendwelche Probleme? Etwas, was ihm Sorgen machte?»
    Jetzt blickt Lord Smith zum ersten Mal ein wenig unbehaglich drein. Er schlägt die Beine übereinander. Handgefertigte Schuhe, darauf würde Nelson wetten. Schnürschuhe.
    «Als ich zuletzt mit ihm gesprochen habe, ging es nur um die Sargöffnung. Er machte einen guten Eindruck, freute sich sehr auf die Veranstaltung. Er hoffte, Bischof Augustine dauerhaft hier im Museum behalten zu können.»
    «Es war sicher sehr anstrengend, so eine Veranstaltung zu organisieren?»
    «Sicher, aber das gehörte ja zu Neils Aufgaben. Er machte das gerne. Es machte ihm Spaß, Leute ins Museum zu holen. Wir haben hier eine sehr schöne Sammlung, aber sie bekommt einfach nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Hören Sie, Inspector, worum geht es hier eigentlich? Ist irgendetwas verdächtig an Neils Tod?»
    «Das kann ich noch nicht genau sagen.» Nelson mustert ihn ausdruckslos. «Aber falls doch, erfahren Sie es natürlich als Erster.» Jetzt fällt ihm wieder ein, wo er diese Nase schon einmal gesehen hat. Sie ist auf mindestens der Hälfte der bescheuerten Ölgemälde draußen verewigt.
     
    Nachdem Lord Smith gegangen ist, diensteifrig flankiert von Rocky und Tom Henty, tut Nelson, was er schon die ganze Zeit tun wollte: Er öffnet die verschlossene Schublade an Neil Tophams Schreibtisch. Der Schlüssel lag – nur mäßig originell, wie Nelson findet – unter dem steinernen Briefbeschwerer versteckt.
    Der Blick in die Schublade erweist sich als lohnend. Nelson findet darin einen Plastikbeutel mit weißem Pulver und einen Stoß handgeschriebener Briefe. Keine Umschläge, doch alle auf demselben Papier geschrieben, cremefarbenes, sichtlich teures Briefpapier. Liebesbriefe vielleicht? Na, Liebe ist immer ein gutes Mordmotiv. Nelson faltet den ersten Brief auf und liest die schwungvoll in Blau geschriebenen Zeilen:
    Sie sind unserer Aufforderung nicht nachgekommen.
    Nun müssen Sie die Konsequenzen tragen.

[zur Inhaltsübersicht]
    3
    Ruth fährt auf direktem Weg zur Tagesmutter, um Kate abzuholen. Sandra kümmert sich immer um Kate, wenn Ruth bei der Arbeit ist, aber heute ist Samstag, und Ruth hat ein schlechtes Gewissen. Sandra allerdings scheint es nichts weiter auszumachen, und Kate, die bis zu den Ellbogen im Mehl steckt und beim Kuchenbacken hilft, hat offensichtlich einen Heidenspaß. Wie immer hat Sandra mehrere Kinder bei sich, die alle mit sinnvollen Tätigkeiten beschäftigt sind: Sie backen Kuchen, machen Klebebilder oder spielen im Wohnzimmer ein übergroßes (abwaschbares) Leiterspiel. Sandras eigene Kinder sind bereits erwachsen, es muss sich also um die Sprösslinge anderer Mütter handeln, die ebenfalls zu chaotisch sind, um sich eine Kinderbetreuung fürs Wochenende zu organisieren. Ruth kann ja auch unmöglich die Einzige sein. Immerhin bezahlt sie Sandra dafür, es ist also eine ganz saubere Geschäftsbeziehung und keines dieser schwammigen Arrangements mit Freunden. Kannst du mir einen Gefallen tun? Macht es dir auch wirklich nichts aus? Ich schulde dir was, versprochen. So ist es doch viel besser: Bezahlung bar auf die Hand.
    Ruth findet Sandra sympathisch, weiß aber nie, worüber sie mit ihr reden soll, und so bedankt sie sich nur, nimmt Kate auf den Arm – Mehlfinger auf ihrem besten Blazer – und verlässt das kleine Reihenhaus. Sandra winkt zum Abschied, ein Kleinkind auf jedem Arm.
    «Geschlafen hat sie nicht, sie hat den ganzen Nachmittag durchgehalten», ruft sie noch. «Vielleicht haben Sie heute Nacht ja Glück.»
    Es gab Zeiten, da hätte Ruth einen solchen Satz gar nicht verstanden. Inzwischen ist sie klüger. Kate hat nicht geschlafen. Wenn es Ruth also gelingt, sie die Heimfahrt über wach zu halten, schläft sie womöglich um sechs ein und wacht erst am Morgen wieder auf. Kate und Ruth haben die Sache mit dem Schlafen immer noch nicht richtig im Griff. Rituale etablieren, so steht es in allen Büchern, doch Ruths Tochter akzeptiert nur ein einziges Einschlafritual: dass Ruth stundenlang bei ihr bleibt, ihr vorliest, Schlaflieder singt
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