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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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unsympathisch war. Wie viel sich seither verändert hat! Ruth hat sich selbst so sehr verändert, dass sie sich kaum mehr wiedererkennt.
    Michelle hat eingewilligt, dass Nelson Kate einmal im Monat sehen darf, und das erste Treffen auf dem neutralen, federnden Boden eines Indoor-Spielplatzes war erwartungsgemäß mühsam. Nelson hat mit Kate gespielt, während Michelle und Ruth zusammen Kaffee tranken und sich über Weihnachten, Familie und selbstgebackene Mince-Pies austauschten, die doch so viel besser schmecken als gekaufte. Wenn Kate sich erst einmal an ihn gewöhnt hat, wird Ruth Nelson mit ihr allein lassen. Das dürfte für alle Beteiligten einfacher werden. Vielleicht findet Kate in Michelle ja eine Art Tante. Das wäre auch dringend nötig; sie braucht schließlich jemanden, der mit ihr shoppen geht, wenn sie ins Teenageralter kommt.
    Ob Kate in Max auch eine Art Vater findet? Das bleibt abzuwarten. Selbst in Ruths Festtagsphantasie bleibt Max eher im Hintergrund, kümmert sich um den Glühwein und röstet die Kastanien. Trotz allem hat sie offenbar nicht das Bedürfnis, ständig einen Mann um sich zu haben. Doch Max wird heute auch kommen, und vielleicht kann sie das Thema Weihnachten dann ja ansprechen. Es gibt schließlich kaum einen besseren Anlass als eine Rückführungszeremonie für australische Ureinwohner, um über Weihnachten nachzudenken.
    Ruth stellt den Wagen auf dem Museumsparkplatz ab und denkt zurück an den Tag vor einem knappen Monat, als sie hier ankam und Neil Topham tot im Saal für Lokalgeschichte fand. Die Familie Smith hat ihren Museumsdirektor nicht einfach vergessen. Die lokalhistorische Sammlung soll in «Sammlung Neil Topham» umbenannt werden, und laut Cathbad überlegt Randolph Smith, an der Universität einen Topham-Preis für Geschichte auszuloben.
    Cathbad ist auch der Erste, den Ruth sieht, als sie die Eingangshalle betritt. Er ist ganz in die Betrachtung des großen Alk vertieft. Der mottenstichige Vogel hat Carolines eifrige Modernisierungsbestrebungen als Einziger überlebt. Ansonsten ist der Eingangsbereich frisch gestrichen, und die Karte von King’s Lynn und das Porträt von Lord Percival Smith wurden durch Computerbildschirme ersetzt, auf denen die Besucher ihren Aufenthalt im Museum auf einer Skala von «Super» bis «Enttäuschend» bewerten können. Anstelle des verstaubten Kronleuchters schlängeln sich moderne Lichtinstallationen die Decke entlang, und zu Ehren der australischen Ureinwohner unter den geladenen Gästen hängt an einer Wand die rot-schwarze Aborigine-Flagge mit der gelben Sonne in der Mitte.
    Ruth ist überrascht. «Meine Güte! Das hat sich ja ganz schön verändert.»
    Cathbad dreht sich lächelnd zu ihr um. «Ich weiß. Caroline streicht inzwischen alles und stöpselt alles ein, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.»
    Cathbad wirkt ehrfurchtgebietend mit seinem pelzbesetzten Umhang und dem offenen langen Haar. Ruth freut sich, ihn wieder einmal in vollem Ornat zu sehen. Die letzten paar Male haben sie sich in der Cafeteria der Uni getroffen, und Cathbad trug seine Alltagskleidung und den weißen Laborkittel. Er sah darin aus wie jeder andere Labortechniker mittleren Alters, und in seinen Augen lag ein irgendwie trauriger und niedergeschlagener Ausdruck, der wiederum Ruth traurig machte. Cathbad hat ihr erzählt, Judy habe die Beziehung zu ihm beendet. «Sie sagt, sie will ihrer Ehe eine echte Chance geben. Natürlich habe ich sie darin unterstützt. Sie hat einen starken Geist.» Und Judy wirkt tatsächlich stark in letzter Zeit. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie während Nelsons Krankheit die Ermittlungen leiten musste, doch wann immer Ruth Judy in letzter Zeit begegnet ist, hat sie sich ganz als professionelle Polizistin gegeben. Ruth überlegt, ob Judy wohl heute kommen wird. Sie weiß, dass Nelson und Superintendent Whitcliffe erwartet werden. Whitcliffe wird sogar eine Rede halten, in der er, laut Nelson, pflichtschuldigst auch auf Mutter Erde und die mystische Einheit der Völker zu sprechen kommen will.
    Ruth und Cathbad gehen durch die naturgeschichtliche Abteilung. Die ausgestopften Tiere sind alle noch da, samt blutverschmierten Klauen und Schnäbeln, und Ruth stellt fest, dass sie im Grunde traurig wäre, wenn sie verschwänden. Das einzige Zugeständnis an die Modernisierung ist hier eine interaktive Tafel, die die gefährdeten Arten auflistet und die ganze Welt rot, gelb und grün blinken lässt. Ruth tippt auf Australien,
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