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Alleinerziehend mit Mann

Alleinerziehend mit Mann

Titel: Alleinerziehend mit Mann
Autoren: Monika Bittl , Silke Neumayer
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komisch, Mama?«
    »Ach, nur so, Lukas, ich muss jetzt gleich weg ins Theater!«
    Bussi, auch für Alex, der mir nicht mal »Viel Vergnügen« hinterherbrummt. Die Wohnungstür fällt hinter mir ins Schloss. Ich bin draußen, weg. Aber zu welchem Preis? Ich hab meinen Sohn mit Läusen zurückgelassen. »Rabenmutter« hämmert es im Kopf mit jedem Schritt, mit dem ich mich weiter von meiner Familie entferne. »Rabenmutter!« Dabei erklärte ich anderen Frauen mindestens schon tausend Mal, dass »Rabenmutter« ein Begriff ist, den nur Deutsche haben. Warum ist denn die Geburtenrate bei den Französinnen so hoch? Weil die Kinder selbstverständlich in Krippe und Kindergarten gehen und keine Französin auf die Idee käme, sich als Rabenmutter zu sehen. Aber wie verhalten sich eigentlich die männlichen Franzosen? Kümmern die sich um die Läuse der Kinder?
    Und wie war das eigentlich im alten Griechenland? Schließlich gehe ich gleich in die Orestie. Während ich in einem anderen Leben vor einem Theaterbesuch drei Schauspielführer nach Inhaltsangaben zu dem jeweiligen Stück durchforstete, krame ich nicht mal jetzt in meinem Vor-Mutter-Hirn nach einer Erinnerung an das Stück, sondern denke über Läuse nach. Wie schnell vermehren die sich? Werden es heute über Nacht doppelt so viele? Hat Lukas schwer daran zu leiden? Und warum, verdammt noch mal, kann ich meinem Mann nicht einfach sagen: »Hallo, Liebling, ich geh gleich ins Theater. Lukas hat vielleicht Läuse, kannst du dich bitte darum kümmern?« Diese Frage ist nicht nur unsagbar, sondern mittlerweile auch undenkbar. Wie soll ein Mann, der mit einem einfachen Küchenkalender überfordert ist, auch noch so Widrigkeiten wie Läuse meistern? Diese Frage hätte meinen sicheren Theatertod bedeutet. Ich stelle mir Alex als nackten antiken Helden vor, wie er in den Zuschauerraum hineinbrüllt: »Wie kannst du nur deine Kinder verlassen? Mich verlassen?« Daraufhin fiele er tot um.
     
    Das Theater hat einen Vorteil, den ich bisher übersehen habe: Man muss das Handy ausschalten. Frau ist nicht erreichbar. Wenn sich keine Nachtwindel findet, wenn der Topf am Herd anbrennt oder wenn gar die Frage auftaucht, was zu tun sei, wenn die Kinder wieder aufstehen und einfach nicht schlafen wollen. Auch zum Thema Läuse ist man über ein ausgeschaltetes Handy nicht erreichbar.
    Ich komme mir vor wie in meinem früheren Leben: Philosophische Fragen wirft das Stück in mir auf, Fragen nach Gerechtigkeit und Sinn von Leben und Tod. Bis ich mich bei dem Gedanken ertappe, dass nur ein männlicher Autor solche Stücke schreiben kann, egal zu welcher Zeit, egal an welchem Ort. Ich könnte schwören, dass sich auch die griechischen Frauen der Antike um die Läuse der Kinder kümmerten und nicht die Männer. Vielleicht hätte eine matriarchale Gesellschaft Stücke wie »Die Laus am Kopf meines Sohnes« hervorgebracht, aber das wäre nun wiederum nicht philosophisch, und eigentlich möchte ich doch genau das sehen. Ha, wie lange sind solche Überlegungen her! Wie schön ist es, mal den Kopf (nein, bitte nicht an die Läuse erinnern!) frei schweifen lassen zu können, angeregt durchs Theater! Ja, ich habe eine Theaterleidenschaft, wie konnte ich die nur vergessen! Und die Begeisterung ist so groß, dass ich auch nach dem Ende nicht gleich heimeile, sondern noch ein Glas Sekt im Foyer trinke, ganz zwanglos mit Unbekannten ins Gespräch komme, mehr noch: Die weibliche Hauptrolle steht plötzlich in unserer Runde, man kommt auf zeitgenössische Theaterautoren und diesen unsäglichen Fernsehmehrteiler neulich zu sprechen.
    Plötzlich sieht die weibliche Hauptrolle auf die Uhr. Sie müsse jetzt heim. Hoffentlich schlafe das Kind schon. Ihr Partner sei da meist überfordert, wenn er die Kleine ins Bett bringen muss. Mir fällt fast das Sektglas aus der Hand. Was hat denn die weibliche Hauptrolle da für einen Trottel daheim? Kann der nicht das Kind ins Bett bringen? Darf sie ihren Triumph nicht feiern? Warum lässt sich diese Frau das gefallen? Die ist schließlich nicht irgendwer. Ich hingegen bin irgendwer … Und irgendwer nimmt sich noch ein Glas Sekt und vermeidet es, das Handy einzuschalten. Zumindest noch ein paar Minuten. Noch ein paar geistreiche Minuten ohne Läuse bitte!
    Aber zwei Menschen, die sich am Kopf kratzen, unterminieren das zweite Sektglas. Ich hole die Jacke und schalte das Handy ein. Es ist noch schlimmer als gedacht: »Neun Anrufe in Abwesenheit« zeigt das Display. Ich
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