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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch
Autoren: Michaela Seul
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nicht. Ich habe ihn nicht aus dem Kopf gebracht. Ich war geradezu davon besessen, ihn kennen zu wollen, ich wäre sogar in seine Wohnung eingezogen, dabei hatte er dieses Kennen begonnen, indem er die andere mit dem Hund kennenlernte, ich war sozusagen in dem morphogenen Feld dieses Falls.«
    »Wo warst du?«, fragte Felix.
    Ich war zu müde, ihm das zu erklären. Vielleicht ein andermal. »Vergiss es. Aber bitte sag mir, bevor du gehst: Wie haben sie Flipper entführt? Seltsam, oder? Meine wichtigste Frage ist jetzt total nebensächlich, wo er wieder da ist.«
    »Nicht sie. Er. Tauben-Rudi weiß von nichts, und das glauben wir bislang auch. Walter Hartl hat von Frau Widmann gehört, dass Flipper besonders kinderlieb ist. Er hat einem Jungen zehn Euro gegeben, der hat Flipper mit Wiener Würstchen rausgelockt, dann hat er ihn mit Äther betäubt, in einen geliehenen VW-Bus geladen und ist abgehauen. Er vermutete, du würdest ihm den Film geben. Er hat nicht daran gedacht, dass du damit erst auf ihn aufmerksam werden könntest. Er hat überhaupt nicht sehr weit gedacht.«

    »Bist du dir da wirklich sicher?«, fragte ich. Es gefiel mir nicht, dass dieses Monster, das mir ein Messer in die Leber gejagt hatte, so harmlos dargestellt wurde. »Wie er sich in mein Haus geschlichen hat mit dem Kittel der Küchenfirma – das ist doch nicht blöd, das ist ausgebufft.«
    Felix legte seine Hand auf meinen Unterarm. »Wir werden die Wahrheit herausfinden, Franza. Verlass dich darauf. Walter Hartl wird verurteilt werden. Ob für Mord oder Totschlag, allein das ist noch offen. Dennoch will ich nicht ausschließen, dass er sich wirklich bei Klaus Hase entschuldigen wollte, als er nachts in seinem Haus auftauchte. Er könnte ihn sogar vom Hochsitz gezogen und sich trotzdem entschuldigen haben wollen. Er könnte aber auch zu Klaus Hase gefahren sein, um ihn endgültig zu töten. Man lernt so viele Leute kennen, die so schräg drauf sind, Franza. Du hörst Geschichten, die könntest du dir nicht ausdenken. Den Erpresserbrief hat er sich von der Enkelin von Rudi Ringmaier, deinem Tauben-Rudi, zusammenkleben lassen. Er hat ihr das als lustiges Spiel verkauft. Ansonsten ist seine Fantasie eher bescheiden. Er selbst besitzt keinen Computer und hat keinen Zugang zum Internet – wahrscheinlich hat er noch nie was von youtube gehört.«
    »Und warum stehen sich die beiden so nah? Als der Opa auftauchte, sagte Walter Hartl, er habe das wegen der Sarah gemacht.«
    »Wie schon erwähnt, scheint Tauben-Rudi eine Art Vaterfigur für Walter Hartl zu sein. Er wollte vielleicht alles richtig machen. Dazu gehört, dass er verhindern wollte, dass immer die Tauben von dem Mädl gefressen werden. Das ist Irrsinn, das hätte er nie verhindern können. Aber dem Opa ist
das so zu Herzen gegangen, weil das Mädl sein Augenstern ist.«
    »Man soll sein Herz an nix hängen!«, flüsterte ich.
    »Wie?«
    »Weiter«, bat ich ihn.
    »Walter Hartl wollte Rudi dabei helfen, dass die Sarah weiterhin zu den Tauben darf. Denn die Mutter ist ja strikt dagegen. Für die hat Walter übrigens eine Schwäche. Sie dagegen findet ihn asozial.« Felix stand auf. »So. Jetzt lasse ich dich aber mal in Ruhe.«
    »Was denkst du über Klaus Hase?«, fragte ich ihn.
    Langsam setzte Felix sich wieder. »Wir haben sein Bestimmungsbuch gefunden«, sagte er leise.
    »Was ist das?«
    »Da schreiben Vogelkundler rein, was sie gesehen haben. So nach dem Motto: Braunkehlchenmännchen mit Futter sitzt lange Zeit auf einer höheren Pflanze, füttert nicht, während Krähen in der Nähe sind.«
    »Ach so was. Ja, davon habe ich gehört. Ich glaube, Ludwig Metzger hat mir davon erzählt.«
    »Mit dem werden wir uns auch noch einmal unterhalten«, entfuhr es Felix. Er sah grimmig aus.
    »Wieso?«
    Felix reagierte nicht auf meine Frage. »Dieses Bestimmungsbuch«, fuhr er fort, »das ist so friedlich, so freundlich, da konnte ich mir vorstellen, was er für ein Typ war …«, er zögerte.
    »Was?«, fragte ich.
    »Und er war ein Poet. Warte mal …« Felix kramte in seiner Jackentasche, zog ein kleines blaues Notizheft heraus, blätterte.
»Ich habe mir da mal was abgeschrieben, das war ganz am Anfang des Falls, als wir noch völlig im Dunkeln tappten. Manchmal nehme ich dann irgendwas Persönliches mit. Das hilft mir.«
    Ich nickte. So verschaffte Felix sich Zutritt zum morphogenen Feld. Deshalb war er ein guter Kommissar. Eine Spürnase, die mit Intuition ermittelte.
    Draußen sein. Ganz
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