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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde
Autoren: Brian W. Aldiss
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Fall, mit den Trugbildern der inneren Vision gleich – warten Sie! Ich muß eine Abhandlung darüber schreiben!« Er griff nach einer Laserfeder und kritzelte etwas auf seinen Schreibschirm. »Die zeitgenössische Geschichte, die wir durch alle diese wissenschaftlich-künstlerischen Medien erleben, wird damit so sehr zu einem Vehikel für die Phantasie wie die vergangene Geschichte, die durch das Medium der Vergangenheit gefiltert wird. Was ist wirklich, Froding, sagen Sie mir das, was ist wirklich?«
    »Dabei fällt mir ein«, sagte Froding kalt. »Ich bin hergekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß Burton/Freud in den letzten Minuten entkommen ist.«
    »Wir dürfen ihn nicht entwischen lassen! Er ist unser Starpatient und bringt uns in der wöchentlichen Sendung ›Such den Geist‹ ein Vermögen!«
    »Ich glaube, es ist besser, wenn er frei ist. Wir können ihm hier nicht helfen.«
    »Er ist sicherer, wenn er hier eingesperrt ist.«
    Froding zog ironisch eine Braue hoch.
    »Das glauben Sie?«
    »Wie ist er entkommen?«
    »Wieder seine Krankenschwester Phyllis, die arme Phyllis. Er überfiel sie, fesselte sie und verließ seine Zelle als Frau verkleidet, manche sagen, als Königin Victoria.«
    Mühelos erzeugte Normandi in der Kehle Anti-Lebensgeräusche.
    »Ich habe sie – ihn – gesehen. Sie – er – kam im Flur an mir vorbei. Er – sie – warf mir einen bedeutsamen Blick zu, wie die Schriftsteller sagen… Was sollen wir tun?«
    »Sie sind der Kontrolleur…« Aber nicht mehr lange, dachte Froding. Die Ereignisse liefen triumphierend in seine Richtung. Utrect war so gut wie besiegt; jetzt war auch Normandi an der Reihe. Er brauchte nur noch die verdammte Puppe loszuwerden, die in seinem eigenen Sessel saß.
     
     
    Unberührt vom Sturm psychischer Verzerrung, der ihn umtoste, saß die Puppe unbequem in Dr. Frodings Sessel und starrte auf den 3 D-Schirm.
    Darauf konnte er sehen, wie Palmerstons großes Militärfahrzeug bremste, als es die Außenbezirke von Windsor erreichte. Das blasse Gesicht Utrects blickte hinaus auf Militärsperren und Maschinengewehrposten.
    Innerlich gärte es in Utrect vor Zorn bei dem Gedanken an das, was mit seiner Frau geschehen war. Der ganze Haß in seinem labilen Inneren schien überzukochen. Er hatte behauptet, Victoria könne gütig sein! Er war dagegen, sie zu bombardieren! Jetzt wünschte er sich, selbst eine Bombe werfen zu können.
    Langsam verwandelte sich sein Gefühlsüberschwang in etwas Eisigeres. Er erinnerte sich daran, wie der arme wahnsinnige Burton vom neunzehnten Jahrhundert zurückverfiel. Er kannte Tausende von Fällen allein in New York. Und alle die kleinen Geheimgesellschaften, die Amerika überzogen – man konnte sie als Rückschritt zur Barbarei auslegen, so, als verblasse eine lang anhaltende Hypnose. Er erinnerte sich an das, was sie früher gesagt hatten: das große Experiment näherte sich seinem Ende. Die verschiedenen Illusionen zerbrachen, wurden dünn und durchsichtig. Daher der weit verbreitete Wahnsinn – dem gegenüber er alles andere als immun war, wie er bitter erkannte. Er hatte es zu tief genossen, den Kaiser Franz Joseph zu spielen; jetzt war seine Elisabeth willkürlich umgebracht worden.
    Und was war das Ziel von alledem? Zeitlich darauf eingestellt, genau hundert Jahre zu laufen, nur noch ein paar Wochen, sollte dieses schreckliche Experiment von Victoria was beweisen?
    Er konnte es nicht glauben, daß die ganze Menschheit nur auf diese temporäre Erde gesetzt worden war, um den russo-amerikanischen Anti-Schwerkraft-Schirm zu entwickeln. Victoria wäre auch mit einem einfacheren, billigeren Umweltkäfig zurechtgekommen, wenn sie nur die Entwicklung des Schirms hätte verlangen wollen. Nein, der Sinn des Ganzen mußte etwas sein, das die große Komplexität der wimmelnden Erdenrassen erklärte, mit all ihren verschiedenen Graden an Leistung, den verschiedenen Psychologien.
    Sie stapften auf dem nassen und verwüsteten Gelände von Windsor dahin, während zwei Gehilfen den Kommunikator trugen. Utrect blieb plötzlich stehen. Er hatte die Lösung!
    Es durchfuhr ihn wie scharfer Zahnschmerz. Er stellte sich noch einmal die Ratten vor. Der Mensch hatte schon in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts einfache Experimente mit Ratten angestellt, zur Erforschung der Übervölkerungsprobleme. Die Ratten hatten Nahrung, Wasser, Sonnenlicht, Baumaterial und eine Umwelt erhalten, die, zumindest anfangs, ideal gewesen war. Dann hatte man
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