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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde
Autoren: Brian W. Aldiss
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wie wir glaubten, sie zu kennen, ist eine Fälschung, eine Fälschung fast von hinten bis vorne. Alles, was wir als natürliche Faktoren ansehen, ist eine Täuschung, von jemandem – oder einer Zivilisation – beinahe unfaßbarer technologischer Befähigung errichtet. Können Sie sich die Komplexität eines Geistes vorstellen, der allein die menschliche Geschichte erfunden hat? Pilgerväter? Eiszeit? Dreißigjähriger Krieg? Karl der Große? Abraham Lincoln? Der amerikanische Bürgerkrieg? Alles ein Lügengewebe – gewebt, vielleicht, von Polyprogno-Computern.
    Nun gut. Dann müssen wir fragen: warum? Wozu hat man sich die ganze Mühe gemacht? Nicht bloß zum Spaß! Für irgendein Experiment. In gewisser Beziehung müssen wir für sie von Nutzen sein. Wenn wir sehen könnten, worin er besteht, wären wir vielleicht in der Lage, mit – Königin Victoria zu verhandeln.«
    Es blieb einen Augenblick still.
    »Da hat er recht«, meinte Dickens.
    »Wir haben keine Zeit«, sagte Disraeli. »Wir müssen handeln. Ich bin für Bomben.«
    »Nein, Disraeli«, sagte Albert. »Florence Nightingale hat recht. Wir haben durch übereiltes Vorgehen alles zu verlieren. Victoria – oder die Viktorianer – könnten uns auslöschen, wenn sie wollten. Wir müssen verhandeln, wenn das möglich ist, wie Nightingale sagt. Die Frage ist: Was haben wir, das sie brauchen?«
    Alle begannen auf einmal zu reden. Schließlich sagte Ruskin, der das Gesicht eines bekannten russischen Staatsmannes hatte: »Die Antwort darauf kennen wir. Wir haben den Anti-Schwerkraft-Schirm, die neueste russo-amerikanische Entwicklung. Nächsten Monat wird er unter voller Publizität eingeschaltet, um die Erde vor der schädlichen Gezeiteneinwirkung des Mondes zu schützen. Der Schirm ist die größte Leistung unserer terrestrischen Technologie. Er wäre selbst für die Viktorianer von unschätzbarem Wert.«
    Allgemeine Zustimmung machte sich breit.
    Nur Utrect schien nicht überzeugt zu sein. Jemand, der einen Planeten als Experimentierfeld einrichtete, würde sicherlich über alle Schwerkraftwirkungen verfügen können. Er sagte zweifelnd: »Ich glaube, daß Psychoanalytiker wie ich Beweise beibringen können, die zeigen, daß das Experiment der Viktorianer ohnehin fast beendet ist. Experimente werden schließlich im allgemeinen nur für eine begrenzte Zeit betrieben oder finanziert. Unsere Zeit ist fast abgelaufen.«
    »Nun gut«, sagte Ruskin. »Dann ist unser Anti-Schwerkraft-Schirm der Höhepunkt des Experiments. Wir halten ihn fest und verhandeln mit den Viktorianern.«
    Es hatte den Anschein, als stimmten die Komiteemitglieder von PINCS dem Plan zu. Disraeli, Utrect und Hoggart sollten nach England fliegen, sich dort mit Palmerston treffen und ihn in die Tat umsetzen. Die drei Männer aßen schnell etwas, während das Komitee seine Besprechung fortsetzte. Hoggart duschte sich und nahm Draculin.
    »Sie hatten vermutlich recht, Victoria gegenüber vorsichtiger aufzutreten«, sagte Disraeli zu Utrect. »Ich selbst bin nur ein rauher Soldat, aber ich verstehe einen Wink. Wir können nicht damit rechnen, sie zu töten. In ihrer eigenen Dimension ist sie sicher.«
    »Ich empfinde keinen Haß für Victoria«, sagte Utrect. »Wir überleben ja, nicht wahr? Vielleicht hat sie gar nicht die Absicht, uns zu töten.«
    »Sie ändern Ihre Meinung, wie?« sagte Hoggart.
    »Vielleicht. Sie und ich leben noch, Bob! Vielleicht bestand die Absicht des Experiments darin, festzustellen, ob wir von selbst auf die Wahrheit stoßen würden. Wenn wir tatsächlich einer primitiven Höhlenmenschenrasse angehören, haben wir jetzt vielleicht bewiesen, daß wir Victorias Unterstützung würdig sind. Sie könnte ja auch gütig und sanftmütig sein.«
    Die anderen beiden lachten, aber Utrect sagte: »Ich möchte mit ihr zusammentreffen. Und ich habe eine Vorstellung davon, wie wir mit ihr in Verbindung treten können – eine Idee, die ich von ein paar Ratten übernommen habe. Ich mache Ihnen eine Zeichnung, Disraeli, dann können Ihre Techniker uns das in ein paar Stunden bauen.«
    Disraeli sah ihn seltsam an.
    »Ratten? Sie übernehmen Ideen von Ratten?«
    »Und wie.« Und dann fing er wieder an zu zittern. Konnte Victoria wirklich gütig sein, wenn sie sie alle in einen riesigen Rattentrainer gesperrt hatte, oder hoffte er nur um seinet- und Karens willen, daß sie es war?
    Als Disraeli Utrects Zeichnung studierte, sagte Hoggart dem Nervenarzt vertraulich ins Ohr: »Dieser Disraeli
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