Alle Menschen werden Schwestern
den Bildunterschriften als:
Weiblicher US-Marineoffizier
Weiblicher US-Kadettenausbilder
Weiblicher US-Leutnant
Frauen in der Bundeswehr: »Selbstverständlich auch General?«
Einen besseren Beweis als diese sprachlich so regelhaft unterschiedlichen und damit aussagekräftigen Bildunterschriften kann es kaum geben für meine These, daß maskuline Personenbezeichnungen für Frauen Bereiche definieren, zu denen sie keinen Zutritt hatten, haben oder haben sollen. Frauen, die in anderen Ländern dennoch in diesen Bereichen vorkommen, wirken für das deutsche Vorstellungsvermögen quasi noch »irreal«. Sie sind so etwas wie »weiße Raben« — eine Art Fabelwesen.
Es gibt junge und alte Raben, genauso, wie es junge und alte Offiziere gibt. Hinsichtlich der Merkmale »jung« und »alt« sind die Begriffe »Rabe« und »Offizier« neutral, nicht spezifiziert. Weiße Raben aber besitzen ein Merkmal, das komplementär zur Intension 27 des Begriffs »Rabe« ist. Das Merkmal »schwarz« ist dem Begriff »Rabe« implizit, d.h., es wird automatisch mitgedacht, wenn von Raben die Rede ist. Und das Merkmal »männlich« ist den Begriffen »Offizier«, »Hauptmann«, »General« usw. implizit. Ein »normaler« Rabe ist schwarz, genau, wie normale Schokolade braun ist, ein normaler General oder Bischof weiß und männlich, normaler Zucker weiß und pulverisiert und ein normaler Mensch in unserer Kultur weiß, im besten Mannesalter und heterosexuell.
Erst wenn Frauen im Rang eines Kardinals, Majors, Bischofs oder Generals ein gängiges bzw. Massenphänomen geworden sind, werden sie sprachlich nicht mehr als »weibliche Abart/Verirrung« eingestuft werden, sondern als eigenständige Wesen, als Personen, die ihre eigene Klasse bilden, nicht eine Unterklasse der Männerklasse. Diese Umwandlung der Begriffsintension geht einher mit einem Wandel der Bezeichnungen: So wie weibliche Soldaten bereits weitgehend zu Soldatinnen geworden sind, werden dann die weiblichen Bischöfe, Generäle usw. zu Bischöfinnen, Generalinnen usw. geworden sein.
Die sprachliche Anpassung an die sich verändernde Realität erfolgt also in drei Stufen:
1. Stufe: Frauen werden bezeichnet als General, Offizier, Manager, Kapitän, Pilot, Kommissar, Oberbefehlshaber, Bundeskanzler, Dirigent
2. Stufe: Frauen werden bezeichnet als weiblicher General, weiblicher Offizier, weiblicher Manager, weiblicher Kapitän, weiblicher Pilot, weiblicher Kommissar, weiblicher Oberbefehlshaber, weiblicher Bundeskanzler, weiblicher Dirigent
3. Stufe: Frauen werden bezeichnet als Generalin, Offizierin, Managerin, Kapitänin, Pilotin, Kommissarin, Oberbefehlshaberin, Bundeskanzlerin, Dirigentin
Luise Rinser, wäre sie denn gewählt worden, wäre »unser erster weiblicher Bundespräsident« gewesen, nicht »unser erste Bundespräsidentin« (höchstens »unsere erste Bundespräsidentin«, mit starkem Kontrastakzent auf dem — in). Eigentlich aber ist ja das Movierungs-Morphem — in nicht kontrastfähig. Erst wenn es eine zweite Frau gibt, die dieses Amt ausübt, ist ein Satz wie Luise Rinser war die erste Bundespräsidentin sprachlich korrekt. Mit anderen Worten: Die movierten Personenbezeichnungen setzen eine weibliche Tradition und Realität voraus . Wo es hingegen noch keine Tradition, sondern nur Pionierinnen in einer Männerdomäne gibt, wird deren Ausnahmestatus sprachlich durch das Attribut weiblich gekennzeichnet, oder sie werden ganz und gar »verbrüdert«, sprachlich als Männer dargestellt: Frauen in der Bundeswehr: »Selbstverständlich auch General?«
Die movierten Personenbezeichnungen setzen eine weibliche Tradition und Realität voraus . Dieser zentrale Satz kann auch als Handlungsanleitung gelesen werden: Wenn wir movierte Personenbezeichnungen benutzen, setzen wir genau damit eine weibliche Tradition und Realität voraus und knüpfen an sie an — mag es diese Tradition und Realität nun gegeben haben oder nicht . Je mehr movierte Formen wir also benutzen, um so mehr beschleunigen wir den Prozeß der Ausdehnung weiblichen Terrains im allgemeinen Bewußtsein. Je mahr maskuline Formen wir aber benutzen, um so mehr schreiben wir den Status quo fest, der Männlichkeit mit Menschlichkeit gleichsetzt und Weiblichkeit als Antinorm des Menschlichen erscheinen läßt.
3 Jargon der Uneigentlichkeit: Über den metaphorischen Charakter maskuliner Personenbezeichnungen für Frauen
Betrachten wir einmal folgende Sätze:
(1) Franz von Assisi war ein
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