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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern
Autoren: Luise F Pusch
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uns, den wir immer den Männern gemacht haben. Wir machen uns lächerlich, wenn wir etwa die 97% Professoren und 3% Professorinnen an unseren Universitäten entschlossen, aber wirklichkeitsfremd als Professorinnen bezeichnen. Niemand wird im Ernst diese Strategie unterstützen, mittragen. Einige von der »Neuen-Weiblichkeits-Fraktion« meinen auch, das Femininum sei »echt zu schade«, um damit »Schwanzträger« zu bezeichnen.
    Nun die Argumente der »kleinen radikalen Minderheit«:
    Wenn wir
    a) das generische Maskulinum ablehnen
    b) der partiellen Feminisierung für Genus-Sprachen langfristig keine Chancen einräumen
    c) zu machtlos sind, um die letztlich angestrebte optimale Lösung (entweder Abschaffung des Genus-Systems, was allerdings tiefgreifende Folgen für die Syntax der betreffenden Sprachen hätte, oder so etwas wie den »verrückten Pusch-Vorschlag«) hier und heute, auf direktem Wege, durchzusetzen —
    - dann bleibt uns eigentlich nur die dialektisch motivierte, indirekte/paradoxe Strategie, über das Ziel hinauszuschießen, um es zu treffen. Was wir zur Zeit versuchen, ist gleichsam der Sprung von der These zur Synthese unter Umgehung der Antithese (ob aus Angst vor männlichen Sanktionen oder angeborenem weiblich-demokratischem Empfinden, will ich nicht entscheiden). Ich meine also, wir müssen so konsequent und radikal sein, daß wir mit unserer Sprachpolitik nicht nur-wie bisher — den Männern auf die Nerven gehen, sondern ihren Nerv treffen. Der Nerv, auf dem Männer erwiesenermaßen sprachlich zu treffen sind, und nicht nur sprachlich, sondern gesamtkulturell, ist: Feminisierung. Die männliche Angst vor dem Verlust der männlichen Identität (durch Feminisierung) ist das Zentrum der grotesken Gesamtveranstaltung, die sich Patriarchat nennt. Feminisierung ist für den Mann sozusagen die ultimative Bedrohung, das schlechthin Unerträgliche. Um dem zu entgehen bzw. nicht länger ausgesetzt zu sein, wird er möglicherweise zur Kooperation bei der Entwicklung einer für beide Geschlechter gerechten und bequemen Sprache bereit sein.

    Soweit das Hauptargument. Es betrifft ein Faktum, das Männer nicht zugeben können, da die Geheimhaltung dieser Tatsache — sogar vor sich selbst (Verdrängung) — ihre Welt zusammenhält und bedingt. Männer klammern sich ja an den Glauben, sie seien Frauen von Natur aus überlegen. Wenn sie — etwa unter dem Einfluß diverser Feminisierungsmaßnahmen — erkennen und zugeben müßten, daß sie in Wirklichkeit auf derselben Stufe stehen wie Frauen, die sie immer »irgendwo weit unter sich« gewähnt haben, bricht die Hierarchie und damit das männliche Selbstwertgefühl zusammen.
    Ich werde nunmehr ein paar äußerlichere Argumente Zusammentragen, die für den Gebrauch des umfassenden Femininums sprechen, denn schließlich müssen wir, um das Fernziel — eine gerechte und bequeme Sprache — zu erreichen, auch das Zwischenziel — Totale Feminisierung — argumentativ absichern und ernst nehmen.
    Die Argumente für das Zwischenziel fallen in zwei Gruppen, eine halb ironisch-spielerisch vorzutragende und eine sehr ernstgemeinte.

A Ironisch-spielerische Argumente für die Totale Feminisierung

    1) Das Arbitraritäts-Argument 65 : Männer pflegen ja zu betonen, daß wir »sowieso nur an Symptomen herumkurieren«, daß unsere Bemühungen um eine gerechte Sprache am Kern der Sache Vorbeigehen, daß Sprachveränderung nichts bewirkt. Nehmen wir sie also beim Wort. Es ist immer wieder köstlich zu beobachten, wie das, was »nichts bewirkt«, die Männer völlig aus der Fassung und in Rage bringt.

    2) Das strukturelle A rgument : Es leuchtet — rein strukturell betrachtet — nicht ein, daß das längere Femininum im kürzeren Maskulinum »enthalten« sein soll. Wo, bitte schön, ist in dem Wort Lehrer das Wort Lehrerinnen enthalten? Die umgekehrte Behauptung ergibt offensichtlich viel eher einen Sinn: Das Maskulinum Lehrer (Singular und Plural) ist in den Feminina Lehrerin und Lehrerinnen hör- und sichtbar enthalten, ähnlich wie man in woman und poet in poetess und nicht umgekehrt. Halten wir also folgendes Strukturgesetz fest: Das schöne lange Femininum ist die Grundform , das kurze, quasi abgehackte Maskulinum ist die Schwundform , auch Schrumpf-, reduzierte oder Kümmerform genannt. Biolinguistinnen haben die staunende Männerwelt darauf aufmerksam gemacht, daß die Relation zwischen Grund- und Schwundform auffällig an die zwischen X- und Y-Chromosom
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