Alle meine Wünsche (German Edition)
er uns schenkte. Ich liebte es, mit meinem Mann die gefrorene Erde aufzuhacken. Ich liebte unsere Träume von künftigen Frühjahren. Ich wartete mit der Inbrunst einer jungen Mutter darauf, eines Tages Großmutter zu werden; ich versuchte mich an üppigen Torten, an leckeren Crêpes, an dicken Schokoladen. Ich wollte erneut die Gerüche der Kindheit in unserem Haus, andere Fotos an den Wänden.
Irgendwann hätte ich unten ein Zimmer für Papa eingerichtet, ich hätte mich um ihn gekümmert, und alle sechs Minuten hätte ich mir ein neues Leben ausgedacht.
Ich liebte meine Tausenden Isoldes bei Zehngoldfinger . Ich liebte ihre Freundlichkeit, so ruhig und kraftvoll wie ein Fluss, Kraft spendend wie die Liebe einer Mutter. Ich liebte diese Gemeinschaft von Frauen, unsere Verletzlichkeit, unsere Stärke.
Ich liebte mein Leben sehr, und ich wusste in dem Moment, wo ich dieses Geld gewann, dass es alles zerstören würde, und für was?
Für einen größeren Garten? Dickere, rötere Tomaten? Eine neue Sorte Mandarinen? Für ein größeres, luxuriöseres Haus, eine Badewanne mit Whirlpool? Für einen Cayenne? Eine Weltreise? Eine goldene Uhr, Diamanten? Unechte Brüste? Eine neue Nase? Nein. Nein. Und nochmals nein. Ich besaß das, was man mit Geld nicht kaufen, wohl aber zerstören konnte.
Das Glück.
Mein Glück jedenfalls. Meins. Mit seinen Mängeln. Seiner Gewöhnlichkeit. Seiner Kleinheit. Aber meins.
Riesig. Strahlend. Einzigartig.
Deshalb hatte ich meine Entscheidung getroffen, ein paar Tage, nachdem ich mit dem Scheck aus Paris zurückgekommen war: Ich hatte beschlossen, dieses Geld zu verbrennen.
Aber der Mann, den ich liebte, hat es gestohlen.
I ch habe niemandem etwas gesagt.
Den Zwillingen, die mich nach Jo fragten, habe ich erzählt, er müsse im Auftrag von Nestlé ein paar Tage länger in der Schweiz bleiben.
Ich hörte weiter von Nadine. Sie hatte einen großen rothaarigen Jungen kennengelernt, er machte 3-D-Filme, arbeitete am nächsten Wallace and Gromit mit. Meine kleine Tochter verliebte sich langsam, sie wolle nichts überstürzen, schrieb sie mir in ihrer letzten Mail, denn wenn man jemanden liebe und ihn dann verliere, sei man gar nichts mehr. Endlich kamen ihre Worte heraus. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich antwortete ihr, hier sei alles in Ordnung, ich würde den Kurzwarenladen verkaufen (richtig), um mich um die Website zu kümmern (falsch). Ich erwähnte ihren Vater nicht. Das Böse, das er uns allen antat. Und versprach ihr, sie bald zu besuchen.
Romain ließ wie üblich nichts von sich hören. Ich erfuhr, dass er die Crêperie von Uriage und das Mädchen verlassen hatte und jetzt in einem Videoclub in Sassenage arbeitete. Wahrscheinlich mit einem anderen Mädchen . Er ist halt ein Junge, sagte Mado, Jungen sind wild. Und auch ihr kamen die Tränen, weil sie an ihre große Tochter dachte, die nicht mehr lebte.
Am achten Tag nach dem Verschwinden von Jo und von meinem Scheck über achtzehn Millionen Euro organisierte ich ein kleines Fest im Laden. Es waren so viele Leute da, dass sie bis auf die Straße standen. Ich verkündete, dass ich den Laden verlassen würde, und stellte diejenige vor, die mich ersetzen würde: Thérèse Ducrocq, die Mutter der Journalistin vom Observateur de l’Arrageois . Thérèse erhielt Beifall, als sie erklärte, dass sie mich nicht wirklich ersetzen, sondern sich »bis zu Ihrer Rückkehr um den Laden kümmern« würde.
Jo und ich, erklärte ich den besorgten Kundinnen, haben beschlossen, ein freies Jahr zu nehmen. Unsere Kinder sind jetzt groß. Es gibt Reisen, die wir machen wollen, seit wir uns kennengelernt haben, Länder besichtigen, Städte kennenlernen, und wir haben beschlossen, dass die Zeit gekommen ist, uns die Zeit dafür zu nehmen.
Sie umdrängten mich. Sie bedauerten Jos Abwesenheit. Sie fragten mich, welche Städte wir besichtigen, welche Länder wir durchqueren würden, bei welchem Klima, um uns noch einen Pullover, Handschuhe, einen Poncho zu stricken: Sie haben uns so lange so sehr verwöhnt, Jo, jetzt sind wir dran.
Am nächsten Tag schloss ich das Haus ab. Brachte die Schlüssel zu Mado. Die Zwillinge fuhren mich nach Orly.
W eißt du wirklich, was du tust, Jo?
Ja. Hundertmal, tausendmal ja. Ja, ich bin sicher, dass ich Arras verlassen will, wo Jo mich verlassen hat. Unser Haus, unser Bett verlassen. Ich weiß, dass ich seine Abwesenheit ebenso wenig ertrage wie den Geruch seiner Anwesenheit, immer noch. Den
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