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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe
Autoren: Hepburn Lucy
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schwindelte Amy und runzelte die Stirn.
    »Die es bei Next gibt.«
    »Natürlich erinnere ich mich, du siehst großartig darin aus!« Sie hatte definitiv keine Ahnung, von was Phyllis redete.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Phyllis irritiert. »Ich habe sie doch noch gar nicht gekauft. Kann sein, dass ich dir von den Beige-Farbenen erzählt habe. Jedenfalls ist es ein Dunkelbeige, geht über ins Maulwurfsgrau.«
    »Okay?«
    »Ich habe sie versteckt!«
    »Nicht dein Ernst!« Amy verzog das Gesicht und rieb sich über die Stirn. Bitte, nein, nicht noch so ein Versuch, den Einzelhandel auszutricksen. Erst letzte Woche hatte Phyllis bei Marks & Spencers einen Pullover umgetauscht, nachdem sie es geschafft hatte, beim Abtrennen des Preisetiketts versehentlich ein Loch hineinzuschneiden. Dann hatte sie die Stelle so präpariert, dass es aussah, als hätte das Material sich von allein gelöst. »Phyllis, eines Tages werden sie dich verhaften!«
    »Es gab nur noch eine in Größe 38, also habe ich sie unter den 44ern versteckt – so weit gehen die schlankeren Frauen nie die Stapel durch, vertrau mir.«
    »Natürlich tun sie das nicht«, stimmte Amy zu. Sie erinnerte sich an die verächtlichen Blicke der Verkäuferinnen, wenn sie ab und zu nach einem tollen Stück im Übergrößenbereich griff. »Aber warum hast du sie nicht einfach gekauft ?« Phyllis hatte keine Geldsorgen, nachdem sie vor ihrem Ruhestand fast zwanzig Jahre lang selbstständig als Buchhalterin gearbeitet hatte.
    »Weil nächste Woche der Schlussverkauf anfängt. Hast du das etwa vergessen? Ich dachte, wir beide könnten am ersten Tag morgens um sieben vor den Türen warten, wenn das Geschäft öffnet? Was meinst du? Morgens vor der Arbeit? Alles zum halben Preis!« Dann murmelte sie verschwörerisch: »Wenn du magst, kannst du dir die Hose mal fürs Büro ausleihen – aber sie wird dir wohl zu groß sein. Vielleicht geht es mit einem Gürtel und hohen Absätzen?«
    Amy spielte mit dem Ende ihres Bademantelgürtels. »Eine wunderbare Idee, ich danke dir.«
    Phyllis’ Welt war nicht immer so beschränkt gewesen. Aber jetzt reduzierte sich ihr Leben auf die Jagd nach Schnäppchen, die Suche nach ihrer eigensinnigen, herumstreichenden Katze und das Finden von Ausreden, warum sie ihren einzigen Sohn, der drei Etagen über ihr wohnte, anrufen konnte. Irgendwie fand Amy das traurig, aber sie hatte andererseits auch keine Ahnung, mit was Menschen in Phyllis’ Alter sich sonst die Zeit vertrieben.
    Drüben im Wohnzimmer schien Justin endlich sein Gespräch zu beenden. Amy hörte im Hintergrund ein »Ja … großartig … bis dann«, während Phyllis munter weiterredete.
    Phyllis trug immer bequeme, praktische Schuhe: Slipper aus weichem Nubukleder, Gesundheitssandalen und bei ihren 14-tägig stattfindenden Bridgeabenden in einem angestaubten Hotel in Greenwich Pumps mit flachem Absatz. Aber früher, vermutete Amy, musste auch Phyllis tolle Schuhe getragen haben – zum Beispiel Tanzschuhe. Heute trugen ihre Schuhe sie nur noch zum Einkaufen und wieder nach Hause. Amy las leidenschaftlich gern an den Schuhen der Menschen ihre Lebensgewohnheiten ab – und sie lag damit meist richtig.
    »Phyllis, du bist ein Schatz«, sagte sie. »Natürlich komme ich nächste Woche mit zum Schlussverkauf. Um sieben, sagst du? Dann müssen wir vor sechs aufstehen.« Schuldbewusst erkannte Amy, dass sie nicht einmal wusste, welche Next-Filiale Phyllis eigentlich meinte. Sie musste sich in Zukunft unbedingt mehr um Justins Mum kümmern. »Diese Hose scheint wie für dich gemacht zu sein, also werden wir dafür sorgen, dass du sie bekommst.«
    Insgeheim wünschte sich Amy sehr, sie könnte sich mit ihrer Mutter noch zu Shopping-Trips verabreden. Aber jetzt war nicht der Moment, um sentimental zu werden.
    »Ich schlage dir etwas vor«, fügte Amy nach einer kurzen Pause hinzu. »Ich borge mir deine neue Hose fürs Büro aus, wenn du meine türkisfarbenen Christian Louboutins am ersten Weihnachtsfeiertag trägst. Abgemacht?«
    Phyllis kicherte am anderen Ende der Leitung. In diesem Moment kam Justin in den Flur geschlendert und schob sein Handy in die Hosentasche. Er stellte sich dicht hinter Amy, umschlang ihre Taille und schmiegte sein Gesicht in ihre Halsbeuge.
    »Kein anderes Mädchen, das ich kenne, hat einen solchen Schuhtick wie du«, lachte Phyllis. »Aber High Heels? Willst du mich umbringen?«
    Daraufhin verfielen beide in ein bedrückendes Schweigen. Amy stiegen
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