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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe
Autoren: Hepburn Lucy
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gerade charmant und mit großartigem Kommunikationsgeschick irgendeinen neuen Kontakt. Genau das mochte Amy an ihm: Sein souveränes Auftreten war das perfekte Gegenstück zu ihrer eher zurückhaltenden Art. Aber sie kannte auch seine verletzliche Seite: sein ständiges Bedürfnis nach Bestätigung und der Wunsch, gebraucht zu werden …
    Aber dieses Mal würde ihm nicht die geringste Clooney-Ähnlichkeit etwas nützen, um sich aus der Affäre zu ziehen. Amy räusperte sich, und Justin drehte sich zu ihr um. Als er ihren Gesichtsausdruck sah, legte er die Hand auf das Handy und flüsterte ihr zu: »Eine Sekunde, Abe …« So nannte er sie, eine liebevolle Kombination aus Amy und Babe . Noch hatte sie nicht entschieden, ob ihr dieser Kosename gefiel oder sie ärgerte. In diesem Moment traf eindeutig Letzteres zu. Unverschämter Kerl!
    Sie wies erst auf die rosa Seidenbluse, dann auf das Marc Jacobs Hemd, schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, warf die Klamotten auf das Ledersofa und stemmte die Hände in die Hüften. Sie wusste, dass sich Justin vom Anblick seiner Freundin im Bademantel – trotz des grimmigen Gesichtsausdrucks – wohl kaum einschüchtern lassen würde, aber zumindest sollte er auf der Hut sein.
    »Ja … schon 28 000 Tickets für die gesamte Tour verkauft … 6500 heute Abend … in der Halle wird Super-Stimmung sein …«
    Justin redete munter weiter. Er drehte sich ihr wieder zu, um die Situation einzuschätzen. Wenn er lächelte, konnte man die winzigen Lachfalten um die braunen Augen erkennen. Doch dann machte er alles falsch: Er zwinkerte ihr tatsächlich zu!
    Verzweifelt schüttelte Amy den Kopf. Hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie Männern, die zwinkern, nicht traute? Provozierte er sie jetzt etwa absichtlich?
    Momentan war sie jedenfalls im Nachteil: kleiner als er, barfuß und in ihren kuscheligen weißen Bademantel gehüllt. Sie konnte ihn abstreifen, um so seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten, aber in Anbetracht seines Vergehens hatte er das nicht verdient. Außerdem war die Zeit zu knapp. Sie beschränkte sich also darauf, laut zu fluchen und sich etwas anderes zum Anziehen zu suchen. Aber sobald er fertig telefoniert hätte, würde sie ihm die Hölle heißmachen.
    »Und morgen«, murmelte sie zu sich selbst, während sie davonstampfte, »werde ich diesem Neandertaler zeigen, wie man Wäsche sortiert. Manchmal frage ich mich, was Phyllis ihm eigentlich beigebracht hat.«
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Amy lief zu dem kleinen Tisch im Flur und ging ran.
    »Hallo?«
    Wenn man vom Teufel spricht – Phyllis war dran, Justins Mum.
    Die Chance, dass sie es war, stand aber ohnehin recht gut – immerhin waren seit ihrem letzten Anruf schon drei Stunden vergangen.
    »Bist du’s, Amy?«, erklang Phyllis klare Stimme. Jedes Mal stellte sie diese Frage. Wer denn sonst?, fragte sich Amy. Aber sie mochte Phyllis sehr. Amys Vater war vor zwölf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und ihre Mutter starb vor knapp zwei Jahren an Brustkrebs. Vielleicht hing sie deshalb so an Justins Mum, auch wenn sie manchmal anstrengend sein konnte. Amy blickte nervös auf ihre Uhr. Die Zeit war knapp, aber sie brachte es trotzdem nicht fertig, Phyllis einfach abzuwimmeln. Sie kreuzte zwei Finger und hoffte, dass es ein kurzes Gespräch würde.
    »Kann ich kurz hochkommen, Amy?«
    Phyllis wohnte zwei Etagen unter ihnen. Vor einem Jahr hatte sie Justin mit der Ankündigung überrascht, dort einzuziehen. Amy konnte verstehen, wie Phyllis auf diese Idee gekommen war. Ihr Haus in Kent war für sie allein viel zu groß, und viele ihrer Freunde waren verstorben oder weggezogen. Trotzdem war es eine befremdende Vorstellung, mit Justins Mutter in einem Haus zu wohnen. Aber nachdem der erste Schreck überwunden war, hatte Amy die möglichen Vorteile in Betracht gezogen: gemeinsame Einkaufsbummel, jemanden zum Reden, wenn Justin mal wieder auf Tour war, einen Babysitter (okay, das war ein bisschen zu weit vorgegriffen). Langsam erwärmte sie sich für die Idee, und tatsächlich war alles recht problemlos gelaufen.
    »Tut mir leid, Phyllis, aber Justin und ich gehen aus«, antwortete Amy. »Zwar nicht zusammen, aber jedenfalls sind wir beide nicht da. Kann ich vielleicht morgen früh zu dir runterkommen auf eine Tasse Kaffee?«
    Phyllis schien gar nicht zuzuhören. »Amy, Liebes, erinnerst du dich an die graue Leinenhose, von der ich dir vor Kurzem erzählt habe?«
    »Aber klar …«,
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