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alle luegen

Titel: alle luegen
Autoren: Meg Castaldo
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umzusehen, lief er den Korridor entlang. Ich war vollkommen verdattert und enttäuscht. Verdattert, dass von jetzt auf gleich alles aus war; enttäuscht von mir, dass ich unsere letzten Minuten versaut hatte. Was immer zwischen uns gewesen war -Liebe wohl nicht, aber etwas, das dem nahe kam -, ich hatte es mit meiner plumpen Art im Nachhinein verdorben. Ich dachte an seinen letzten Satz - was hatte er zu bedeuten? Eine Ewigkeit stand ich einfach nur da und wiederholte immer wieder im Geiste: Ich habe dich vor dir selbst gerettet ! Ich weiß bis heute nicht wirklich, was er damit meinte. Vielleicht werde ich es nie verstehen.
    Ich durchquerte langsam den Flughafen und trat auf die Straße hinaus. Ich war zu erschlagen, um viel von meiner Umgebung wahrzunehmen, außer dass Kyle nirgendwo zu sehen war. Als ich endlich ein Taxi bekam, ließ ich mich auf die Rückbank fallen und starrte hinaus, ohne etwas von Queens zu sehen. Trotz der Kälte draußen kurbelte ich das Fenster runter. Ich habe dich vor dir selbst gerettet. Erneut zog ich den Reiseplan aus der Tasche und starrte auf die geschwärzten Zeilen. Dann versuchte ich mir vorzustellen, wohin Jan hatte reisen wollen, aber es gelang mir nicht. In meinem Kopf war nichts als eine große Leere - auch bei dem Gedanken an Jan.
    Der Taxifahrer riss mich aus meinen Gedanken. Er hatte mich im Rückspiegel betrachtet und wollte nun wissen, ob ich aus Indien käme. Ich warf einen Blick auf seine Lizenz: Sein Name war Sajit Chaudurry.
    »Ja«, sagte ich. »Aus Kalkutta.«
    Das war das letzte Mal, dass ich Jan Van den Hoven sah. Über ein Jahr später bekam ich eine Postkarte, die Carmi von New York aus weitergeleitet hatte. Der Poststempel war nicht zu entziffern und es gab auch keinen Absender. Vorne auf der Karte war ein tanzender Vishnu abgebildet.
    Liebe Alex,
    wenn ich meditiere, muss ich oft an dich denken. Ich habe eine Art von Frieden gefunden, und ich hoffe, dass du das von dir auch behaupten kannst. Ich frage mich oft, wie es dir geht. Ob du dich selbst irgendwo gefunden, ob du dich nicht verloren hast. Du bist in meinen Gedanken.
    Om Shanti,
    Jan.

34
    Als ich vom Flughafen zurückkehrte, brannte in Carmis Wohnung Licht. Ich erwartete halb, meinen braun gebrannten Onkel einen Drink schlürfend in seinem Lieblingssessel vorzufinden, aber ich hätte es besser wissen müssen. Carmi war kein Mensch, der impulsiv Pläne änderte. Stattdessen sah ich Jacob, den Party-Promoter-Detective im Wohnzimmer. Er las eine Zeitung.
    »Verzeihung«, sagte er und sprang auf, als ich den Raum betrat. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.« Ich war überrascht, ihn schon wieder bei mir zu sehen, aber nicht besonders.
    »Bitten Sie sich immer selbst herein?«, fragte ich.
    »Sie waren ja nicht da.« Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Dann entdeckte er meine Tasche. »Wollen Sie irgendwo hin?«
    »Das dachte ich, ja«, antwortete ich und ließ mich in Carmis Sessel fallen.
    »Was ist passiert?«
    »Hab meine Meinung geändert.«
    Er sah sich einen Moment lang um. »Kommen Sie vom Flughafen?«
    Ich nickte. Es interessierte mich nicht, aus welchem Grund er fragte.
    »Ich habe Neuigkeiten für Sie.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    »Sie werden Ihnen nicht gefallen.«
    Ich sackte noch ein Stückchen mehr in mich zusammen und starrte an die Decke. Mein Mund war so trocken, dass ich kaum sprechen konnte.
    »Dieser Typ, Jan ...«, begann er. »Wie lange kennen Sie ihn schon?«
    Jetzt waren wir also bei Jan angekommen. Und dafür konnte es nur einen Grund geben.
    »Etwas über ein Jahr, glaube ich.« Ich hatte Mühe, die Worte zu formen.
    »Glauben Sie?«
    »Wir haben uns in Europa kennen gelernt.«
    »Das sagten Sie schon.« Und wieder kam sein schwarzes Notizbuch hervor. Er beugte sich über den Couchtisch und zeigte mir eine Seite, auf die er in enger Schrift Jans Namen geschrieben hatte. »Schreibt er sich so?«
    Ich nickte. Unnötige Frage.
    Er begann, etwas in sein Buch zu kritzeln. »Und?«, fragte er.
    »Und was?«
    Er hörte auf zu schreiben und sah mich an. »Und was ist in Europa passiert?«
    »Nichts. Wir sind für ein paar Tage in Belgien gewesen.«
    »Europareise. Nachdem Sie von der Werbeagentur gefeuert wurden. Ich weiß Bescheid.«
    »Woher?«
    »Von Jan.«
    »Warum fragen Sie dann?«
    »Wegen anderer Widersprüche in seiner Aussage.«
    »Oh.« Widersprüche, dachte ich. In seiner Aussage. Was bedeutete, dass seine Aussage widersprüchlich war.
    »Er ist also hergekommen, um Sie
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