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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot
Autoren: C Erdmann
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vor die sieben Engel nahe des Throns. An seinen Nervensträngen würde SIE die Quart, die Quint und die Oktave suchen, bis sie in dem Klang vibrierten, der IHR gefiel. SIE würde ihn benetzen mit dem Speichel der vergifteten Venus, bis er daran glaubte, daß die Zukunft endlich das war, was man machen konnte. Alles, was Sehnen glich, würde IHR gehören wie unsichtbare Strömungen dem Ozean. SIE würde die Schlüssel zu Himmel und Hölle besitzen. SIE würde die flüssigen Schreie der Erzwidersacherin in sich entfesseln, wenn SIE sich einen eigenen Gott erschuf und das Metall des Himmels von ihm forderte. SIE würde ihn zum Sklaven IHRES Werks der Gnade machen. SIE würde ihn an seinem Haupt tödlich verwunden und dann wieder heilen. SIE würde ihn das Tor zum Himmel mit dem Schlüssel zur Hölle öffnen lassen und das Tor zur Hölle mit dem Schlüssel zum Himmel. In den Purpurträumen IHRER Blicke maliziöses Blitzen. Priesterin im Haus der nadelfeinen Spitzen. SIE würde mit dem Machtwort spielen, dessen Äußerung das ganze Universum ausleert, und SIE würde mit widerspenstigen Dämonen die Schrecken des Kommenden besprechen. Er hätte nur zu ruhen darin, daß SIE ihn nicht ruhen ließ. SIEwürde ihn vom Fleisch fallen lassen und noch seine Knochen so erhitzen, daß seine Knochen auferstanden. SIE würde sieben Gewänder an- und wieder ablegen, während SIE mit dem Rohmaterial arbeitete. SIE würde die schwarze Sonne zum Glühen bringen und die Seele des Schwefels zum Gehorsam zwingen. SIE würde ihn zum Salamander machen und zum Vorschein kommen lassen auf dem engen Pfad zwischen zwei hohen schlanken Säulen hindurch. SIE würde die 3 verleugnen und die 2 bestätigen. SIE würde seine Seele dürsten lassen wie ein dürres Land. Und dann würde sich IHR Raubkatzenwesen metamorph zurückziehen in die Form der Frau, die den Klang IHRER Absätze auf Korridoren und Straßen hören ließ und zu ihm sagte: „Vermeiden Sie doch, um etwas zu bitten, das Sie bereits besitzen, mein Herr!“

37
    So würde es kommen, so würde es dem Geschehen kommen, wenn diese Absätze noch einen letzten Schritt vollzogen und hier und jetzt im Hörsaal C bestätigten, daß das Wahre schon wahr war, bevor Aljoscha Tuschkin daran glaubte. Und wenn SIE diesen letzten Schritt vollzog, würde Leda zu ihm sagen:
    „Du weißt nicht, womit du spielst.“
    „Doch, das weiß ich. Mit drei Leben.“
    Und Aljoscha würde ihr nur noch sagen können, daß er sich mit einem Male seltsam überflüssig vorgekommen war in ihrem Leben. Und Leda würde es bestreiten. Und sie würde wie in einer letzten Krisis unter Schmach und Tränen ihren eigenen Irrsinn zu fürchten beginnen; sie sah Aljoscha an wie einen, der mit dem Bösen umging, und sie sagte ihm ins Gesicht, daß er also ihren Wahnsinn wollte, daß er sie täglich erwürgte, weil er nicht abließ von jener. Und eines Abends würde sie plötzlich den Roman der Simone de Beauvoir, den sie so liebte, nicht mehr in ihrem Regal finden; und in Panik, da selbst die Symbole ihrer Liebe sich in Nichts aufzulösen schienen, würde sie Aljoscha anrufen und wie von einer Rotte umringt „Mein Buch!“ und unsinnig „Mein einziges !“ rufen, und sie klang, als würde sie sich auf der Stelle in Todesstaub verwandeln wollen. Und Aljoscha würde sagen:
    „Du hast noch nie etwas verloren.“
    Und sie würde sagen:
    „Doch. Dich.“
    Und mit diesen Worten würde alles ruhig in ihr.
    Höllenmacher, wiege dieses Leiden auf. Was redest du von deiner eigenen Verdammnis? Was sich wie ein monströses Lot in die Tiefen deines Schlafes senkt, hat nur einen Importeur – dich selbst. Der Zweitgeborene opfert den Erstgeborenen; aber auch wenn du dich selbst zum Opfer bringst, bist du der Täter. Wenn es einen höchsten Richter gäbe, der dir Anhörung gewährte, dann würde dir vielleicht vergeben. Worauf du hoffen kannst, ist dies: das Leben derer, die dich nicht verlieren wollen, in der Qual zu halten, bis die Wunde nicht mehr tödlich ist. Das ist, worauf du hoffen kannst: Schlimmeres abzuwenden mit langer Qual.
    Was soll das heißen, manche Menschen kennen eine Fremde, aus der sie nur ein Wunder rettet? Beinahe unterwürfig richtet sich der Weg der Umkehr unter deinen Füßen her, aber deine Füße wollen ihn nicht gehen.
    Vielleicht wird es noch deine Sache sein, daß Leda nicht dem Schwinden ihres Lebens glaubt, und daß sie nicht fällt, wenn sie wankt. Vielleicht, wenn sie dich läßt, wird es noch deine Sache
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