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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot
Autoren: C Erdmann
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Traum gespuckt. Ich wollte nie mehr aufstehen. Ich lag wohl eine ganze Stunde da und wagte mich kaum zu rühren, weil ich fürchtete, mit jeder Bewegung würde etwas verschwinden von dem, was ich gesehen hatte… es zerrann alles. Ich hörte, wie sich das Haus mit Lärm füllte, und durch das Fenster drang der Tag mit tausend Augen. Ich starrte auf eines dieser blassen Blümchen, bis es sich teilte zu zwei Bildern. Und dann vergaß ich den Namen.“
    „Welchen Namen?“
    „Den Namen der Frau, die ich im Traum gesehen hatte.“
    „Eine Frau, ja?“
    „Ja.“
    „Und warum ist der Name so wichtig?“
    „Seit diesem Morgen versuchte ich, mir das Unwiederbringliche ins Gedächtnis zurückzurufen… ich versuche es wiederzufinden, verstehst du…“
    „Nein, das verstehe ich nicht.“
    „Nein… wie auch… wir alle sind krank, weißt du, und wir verstehen nur das, was unsere Krankheit betrifft – nur das berührt uns wirklich. Meine Krankheit, das ist dieser Traum. Es war vielleicht gar kein Traum. Sie war durch das Tor gegangen. Und ich war durch das andere Tor gegangen.“
    „Und wer war diese Frau?“
    „Das kann ich dir nicht sagen.“
    „Das ist doch Unsinn, Aljoscha!“
    „Ich weiß, ich weiß ja, daß es Unsinn ist.“
    „Und warum war sie so bedeutend, diese Frau?“
    „Daß da jemand auf dich wartet, daß jemand gerade dich will, mit einem versichernden Lächeln alles geschehen läßt, und es geschieht ohne Anstrengung, und du spürst, daß alles längst beschlossen ist, daß keine Fremdheit ausgeräumt werden muß und alles ganz selbstverständlich ist – das ist das Seltsamste an manchen Träumen, oder?“ „Vielleicht. Aber das sind nur Träume.“
    „Aber du kennst den Schmerz der Trennung nach dem Aufwachen?“
    „Aljoscha, was soll das alles?“
    „Sie hat ihr Bildnis in mir aufbewahrt. Mein Leben bestand darin, ein geheimes Haus zu bauen mit einer geheimen Tür, durch die siezurückkommen sollte, aber das weiß ich alles erst jetzt. Es war ein französischer Name… Pjotr nannte sie plötzlich Catherine.“
    „Ich denke, du hattest ihren Namen vergessen?“
    „Suche allein nach mir, was soll das Zeichen sein ?“
    „Ich verstehe kein Wort.“
    „Ich weiß auch nicht, warum ich das eben gesagt habe…“
    „Du könntest dir all das jetzt gerade ausdenken.“
    „Ich erinnere mich an ihren geschmeidigen Körper, und es war, als sagte sie: dies wird deine Welt erneuern, und meine Welt – sie hat die Dauer meiner Sehnsucht genau fixiert. Meine Ekstase in der ihren, das ist der Schlüssel zu den Ritualen… diese sehr blasse Frau, ich erinnere mich, daß sie wie eingesponnen schien in schwarze Seide… sie sagte: ich zeige dir, wo du und ich diese Nacht hingehen müssen… und sie weihte mich in alles ein.“
    Und mit einer Stimme, die verriet, daß sie nicht mehr wußte, ob es gut war, noch zu fragen, würde Leda fragen: „Und was war es?“
    Und Aljoscha würde nur noch sagen: „Es war – etwas ganz anderes…“ , und dann würde die Pein erst von ihm und dann von Leda die sechs Arten der Biegung des menschlichen Körpers verlangen.
    Und noch immer stand der hohe Absatz der Katzenmenschenfürstin auf dem PVC von Hörsaal C, als ob SIE zögern würde, all dies auszulösen mit dem letzten Schritt, und wenn SIE ihn doch tat, würden Leda und Aljoscha an diesem Abend mehrmals ihre Tränen trocknen, bis Aljoscha sagte:
    „Einmal, in Paris, saß ich an einem Teich und betrachtete einen Schwan und stellte mir vor, daß ich in dieser Stadt wohne und auf eine Verabredung warte. Bis ich das Gefühl hatte, daß es wirklich so ist.“
    „Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst. Ich glaube, alles ist viel einfacher.“
    „Ich weiß nicht… ich glaube, alles wäre viel einfacher, wenn man es sich nicht immer so einfach machen würde.“
    Und Leda hätte recht von ihrem Standpunkt aus, und er hätte recht von seinem Standpunkt aus, und die schwarze Witwe Resignation ließ diskret den Schleier fallen über ihr Gesicht. Leda und Aljoscha riefen sich von Standpunkten, die nicht mehr in Rufweite zueinander lagen.
    „Du und ich, wir sind wie Tag und Nacht. Und vielleicht habenwir erreicht, was gar nicht zu erreichen war… länger als es gutgehen konnte.“
    Und Leda würde ihm nicht mehr verraten, ob auch sie das glaubte. Sie würde sagen: „Liebe mich noch einmal. Liebe mich jetzt. Laß mich deine Liebe fühlen, nur noch einmal…“ Und wenn das letzte Mal sich über sie gesenkt hätte,
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