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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot
Autoren: C Erdmann
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sein grauenhaftes Schweigen
Die Straße, die noch blieb, war
toter Hüter meines Herzens
dunkel und heilig
und mein Herz
und das Schweigen dieser Nacht
wird nur noch Eis sein
nie mehr gebrochen
wenn dieser Liebe nicht zu trauen war
in der Gegenwart der Sphinx
traue ich nie mehr
Kein Wort mehr für das Unsagbare
Wenn er geht
und er würde seinen Irrsinn tragen
muß er alle Nächte mitnehmen
in die letzte Hoffnung
und alle Wahrheit
es war schwer genug, um sie zu kämpfen
alle Wahrheit soll er Lüge nennen
und vielleicht war es auch nie eine
von jetzt an
wird die Sphinx zurückkehren in ihr Reich
und alle Lüge
ihn vergessen
Liebe
übriglassen
im Schweigen der Jahrhunderte
    Am nächsten Abend würde er zu Leda gehen, mit Säcken voller Gründe, und die Säcke hatten Löcher, und Gründe machten es nicht leichter. Wenn wir tot sind, sind wir gar nichts mehr, nicht einmal tot. Noch wußte er die Antwort, wenn sie ihn fragen würde: hast du mich je geliebt? Aber wohin konnte er noch gehen mit seiner Antwort, wenn die Stunden, die jetzt vor ihm lagen, abgelaufen waren?
    Er kehrte bei ihr ein wie der müde Schnitter, dem man keinen Gruß gewährt. Wenn er einer anderen das Leben war, war er Ledas Tod. Sichtbar wie ein Riß ginge der Schmerz durch Ledas Blick, doch dieser Blick wollte noch nicht ganz zerspringen. Es war ein Blick, der allzu lang den leeren Horizont abgesucht hatte und jetzt angefüllt war vom kalten Land der Indifferenz. Bereit zum Lebensnötigen, ganz gleich, wie karg oder wie fürchterlich es war.
    „Warum hast du mich belogen, Aljoscha?“
    „Die Lüge war schon da. Ich habe sie nur größer gemacht.“ „Da war keine Lüge.“
    „Ich habe sie wachsen lassen wie ein Höllentier, das gräßlich anschwillt, wenn man es mit Übel füttert.“
    „Da war keine Lüge.“
    „Nicht mehr alles wissen wollen vom anderen, beginnt da nicht die Lüge?“
    „Man kann nicht alles wissen, von niemandem.“
    „Nein, das kann man nicht. Ich weiß das, ich weiß das alles. Niemand kann für einen anderen das ganze Leben sein. Aber man muß wenigstens das Verlangen danach in sich toben fühlen wie Fieber, wie eine Intoxikation… wie Irrsinn!“
    „Das ist alles nur…“ – Leda würde tief Luft holen und dann den Atem anhalten, als wollte sie zurückhalten, was durch ihren ganzen Körper aufzusteigen schien und dann doch ausbräche – „alles nur Kauderwelsch des Herzens !“
    Da würden Endzeitvögel kreisen über ihnen, und sie gingen weiter wie auf einer Brücke, die aus dünnsten Spänen gezimmert ist und keine heftige Bewegung verträgt; hätte einer von ihnen jetzt auch nur das Haupt zum Himmel erhoben, um zu sehen, was über ihnen kreiste, wäre schon alles, was sie noch trug, zusammengebrochen. Und Leda würde fragen:
    „Ich möchte wissen, woran ich dich verliere.“
    Und es schiene ihm, als könne er fühlen, was ein dürrer Baum mit schwachen Wurzeln fühlt, wenn ein Tornado näher kommt, und er wünschte sich nichts mehr als Worte, mit denen er Leda verstehen lassen konnte, woran sie ihn verlor, doch alles, was er sagen konnte, wäre doch zu unwirklich für diesen Augenblick… wenn immer noch Unwetter ist über dem Moor, wo die Knechte suchen, was sagt man dann der Verzweifelten, die auf die kleine Mary Ann schon viel zu lange wartet, und deren einziger Gedanke Komm nach Hause bitte ist, und deren panisches, ahnendes Herz Kraft aufbringen muß für die Gewißheit, daß die Zeiger an der Wanduhr sagen: nie mehr.
    Aljoscha wünschte sich nichts mehr als Worte, die, wenn sie Leda schon quälten, sie wenigstens nicht beschämten, Worte, mit denen er sie fühlen lassen konnte, daß sie nichts Falsches getan hatte, daß sie nichts dafür konnte und nichts daran ändern konnte, daß Wunder sich auf Parkbänken abspielen. Er wünschte sich eine Fee, die beschreiben könnte, wie sich Ledas Bild für ihn niemals verzerrte. Er wünschte sich noch eine Fee, deren Stimme in Ledas Ohr wisperte: „Geh geliebt in deine Nacht und dann in deinen Tag.“ Und es wäre nichts dergleichen da zu Aljoschas Hilfe, weil die geheime Welt nur zusehen kann, wenn Abschied genommen und allein gelassen wird in der realen Welt.
    „Ich kann es nicht erklären“, sagte er. „Ich war 12 Jahre alt und ich wachte auf aus diesem Traum – ich war bei meinen Großeltern. Dieses Bett, es roch nach zu lang eingewickelten Bonbons… ich hattedie verblichene Blümchentapete nah vor Augen. Ich lag da wie nach einem Schiffbruch. Aus meinem
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