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Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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war eine Frage, die sie hoffentlich nie würde beantworten müssen …
    »Alissa?«, hörte sie Strells tiefe Stimme, ganz nah und sehr besorgt, und mit einem erstaunlich leisen Blätterrascheln richtete sie sich auf.
    »Ali-i-i-ssa?«, rief Lodesh, dessen kultivierte Stimme ebenfalls besorgt klang. Dann, leiser, offenbar an Strell gewandt: »Ich weiß, dass sie irgendwo hier abgestürzt ist. Hoffentlich ist sie nicht bewusstlos. Ich kann nicht einmal ihren Geist erreichen.«
    Sie kam sich gemein vor, doch die Scham über ihren zerrissenen Flügel ließ sie Mund und Geist geschlossen halten. Lodesh würde den Kopf schütteln und sie dann necken, bis ihr Lehrmeister von dem Riss erfuhr. Strell würde die ganze Situation taktvoll ignorieren – sofern Alissa halbwegs unversehrt schien –, weil er wusste, wie peinlich es ihr sein musste, dass sie vom Himmel gefallen war. Wenn sie sich verwandeln wollte, musste sie es jetzt sofort tun.
    Mit drei langsamen Atemzügen ließ Alissa ihre Aufmerksamkeit los. Sie war inzwischen sehr geübt und baute rasch die richtigen Kanäle in ihrem Geist auf, um den Bann zu wirken. Kühle, silbrige Energie floss aus ihrer Quelle und erfüllte ihre Pfade, tief in ihrem Geist. Der schwere Geruch von Farnen und Baumsäften verschwand, als sie sich selbst in einen Gedanken zerlegte, ihm die Form des Körpers gab, in dem sie geboren worden war, und diesen Gedanken schließlich Realität werden ließ. Im letzten Augenblick dachte sie daran, sich etwas anzuziehen, und ein neues Muster fügte sich zu dem, das bereits in ihrem Geist schimmerte.
    Alissa trat wieder in Erscheinung, gekleidet in die traditionellen Gewänder der Bewahrer, einen langen Kittel und eine kurze Weste, mit einer schwarzen Schärpe um die schmale Taille gegürtet. Ein Rock mit einem grünen Band am Saum, der ihre Zehen streifte, vollendete den Aufzug. Ihre Füße waren nackt bis auf dünne Strümpfe mit Löchern darin, und ihre Wangen wurden heiß, als sie die fehlenden Schuhe bemerkte. Zumindest trug sie Strümpfe. Ohne die hätte sie ebenso gut nackt sein können.
    Nutzlos konnte ihren Bewahrer-Aufzug nicht ausstehen – er fand, dass sie sich als Meisterin auch wie eine solche kleiden sollte. Doch sie hatte sich noch nicht die Zeit genommen zu lernen, wie sie durch ihre Gedanken irgendwelche anderen Kleidungsstücke erschaffen konnte. Das war eine mühselige Angelegenheit, und sie würde eher lernen, sich Schuhe zu machen, als noch mehr Kleidung anzufertigen. Alissa strich mit der Hand über ihren Rock, um sich zu vergewissern, dass er da war. Einmal hatte sie ihn vergessen, und das war entsetzlich peinlich gewesen.
    Die urtümliche, wilde Gestalt mit ledriger Haut, Klauen und ungeheurer, primitiver Kraft war gewöhnlicher, ein wenig gebräunter Haut und abscheulich glattem blondem Haar gewichen, das ihr fast bis zu den Ellbogen reichte. Ihre Augen allerdings hatten ihre seltsame graue Farbe behalten; daran hätte sie wirklich gern etwas geändert. Kratzer verunzierten ihre Arme, wie sie bemerkte, als sie die langen Ärmel hochschob, um nach Verletzungen zu sehen, und ihr Kiefer schmerzte leicht. Ein ganz neuer Schmerz zog sich ihren Rücken hinab, und sie streckte sich vorsichtig, um zu testen, wie weit es ging. Irgendetwas in ihr war zerrissen. Sie tastete sich langsam ab und kam zu dem Schluss, dass ihr Rücken äußerlich heil und unversehrt war. Der Schaden war unter der Haut verborgen.
    Mit klopfendem Herzen kämpfte sie sich durch die zersplitterten Äste und duckte sich hinter einen Baum. Wenn sie es klug anstellte, schaffte sie es vielleicht, einen Augenblick mit Strell allein zu verbringen.
    »Bei den Hunden des Navigators!«, hörte sie Lodesh rufen, und sie wusste, dass die beiden ihre Lichtung gefunden hatten. »Sieh nur, was sie hier angerichtet hat!«
    Alissa spähte um den Baumstamm herum. Strell und Lodesh standen am Rand einer frischen Schneise der Zerstörung in der untergehenden Sonne. Kralle saß auf Lodeshs Handgelenk. Der schlaue Vogel drehte den Kopf und sah Alissa direkt an. Die schnitt eine Grimasse, als Strell die Hände zu einem Trichter formte und brüllte: »Ali-i-issa-a-a!«
    Strell erschauerte, fuhr sich mit der Hand über das braune Haar und umklammerte dann die Spange, die es an seinem Hinterkopf zusammenhielt. Diese Geste drückte eindeutig Besorgnis aus. Strell stammte aus der Wüste und spürte die Kühle der herannahenden Nacht vermutlich ebenso sehr wie sie – obwohl er sich in
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